Die Einreise in den Iran
Zum Einreisen muss Nick bei der Fussgängerkolonne anstehen, da nur eine Person im Auto sitzen darf, wenn es über die Grenze kommt. Der Landy wird kurz untersucht nach Alkohol und Sexheftchen, dann kann ich bis in den Hof passieren. Im Passkontroll-Gebäude treffen wir uns wieder. Wir haben allerhand Schwierigkeiten, eine Devisendeklaration machen zu dürfen, denn wir haben viele Dollars dabei, die wir auch wieder aus dem Iran ausführen wollen. Bei der Ausfahrt aus dem riesengrossen Zollhof wird nochmals jedes Auto genau untersucht. Wir müssen alles, was im Auto ist, auf einem Tisch ausbreiten. Da die Kisten auf dem Dach jedoch gegen Diebstahl angeschraubt sind, bitten wir den Zollbeamten, sich aufs Dach zu bemühen und da einen Blick in die Kisten zu werfen. Als der Beamte eine Kassette mit Rockmusik findet, müssen wir in voller Lautstärke unsere Billiganlage demonstrieren. Nachdem wir ihm noch eine Brausetablette offeriert haben (Für den Beamten sehr wichtig: Mit Vitamin B12!), sind wir gute Freunde. Der Zöllner begleitet uns höchstpersönlich zum dritten Kontrollposten, wo das Auto nochmals untersucht werden sollte. Hier wollen die Beamten jedoch nur ihr Englisch an uns ausprobieren. Nach fünf Stunden sind wir endlich durch den Zoll durch. Nun kommen ca. alle 10 km Strassensperren, wo unsere Pässe kontrolliert werden, ein Blick ins Auto geworfen wird, oder wo man auch nur Englisch reden möchte. Wir werden uns bewusst, dass wir ab der Grenze ohne Haftpflichtversicherung fahren. Eigentlich hätten wir an der Grenze eine abschliessen müssen, aber irgendwie ist das unters Eis geraten.
Der Iran
Als es Abend wird, fallen uns sofort die farbigen Standlichter der Autos auf. Die einen sind rosa, die anderen hellblau usw. Beim Abendessen ca. 50 km vor Tabriz merken wir zum ersten Mal, was es heisst, in einem kriegführenden Land zu sein. Die Restaurants haben fast kein Essen anzubieten. Jedoch sind die Einheimischen äusserst freundlich und hilfsbereit. Hier treffen wir auch ein deutsches Paar mit einem BMW-Motorrad, das in sieben Wochen von Frankfurt nach Singapur fahren möchte. Um das Iranvisum zu kriegen, haben sie bereits einen Umweg über Jordanien machen müssen, da es in Deutschland und in den Ländern unterwegs nicht erhältlich ist. Zwei Tage später, an einem Freitag, fahren wir durch Teheran. Es sollen hier jeden Freitag Prozessionen für die Kriegsopfer veranstaltet werden. Tatsächlich sind im Zentrum alle Strassen total verstopft von schwarz gekleideten Leuten, die in vielen verschiedenen Umzügen durch die Stadt ziehen. Jeder Umzug, der aus etwa zweihundert Leuten besteht, hat einen Lautsprecherwagen dabei, aus dem ohrenbetäubend laute Reden und Trommelmusik ertönen. In einem Aussenquartier sehen wir, wie Hunderte von Frauen, Kindern und auch Männern bei einer Volksküche um Essen anstehen. Auf der Weiterfahrt Richtung Isfahan werden wir unter anderem auch in Quom, der heiligen Stadt, von Revolutionswächtern kontrolliert. Die Soldaten brechen sofort in grelles Gelächter aus: Sie haben entdeckt, dass wir kurze Hosen tragen und deshalb NACKTE Beine haben. Wir müssen an Ort und Stelle lange Hosen anziehen. Die Temperatur beträgt hier in der Wüste um die 50C. Beim Tanken an der nächsten Tankstelle kommt ein Polizist auf uns zu: Wir sollen sofort etwas langärmeliges anziehen… Wir übernachten kurz vor Isfahan, durch eine grosse Düne von der Strasse geschützt. Bei dieser Hitze ist es eine Wohltat, die auf dem Dach montierte Dusche zu benützen.
Isfahan
Am folgenden Tag schauen wir uns die Stadt Isfahan an. Es gibt hier sogar einen Landrover Ersatzteilhändler, bei dem wir sofort Bremsbeläge und diverse andere Teile einkaufen. Hier in diesem Laden treffen wir zwei Belgier, die mit einem Landy 88 von Nordpakistan her kommend auf der Heimreise sind. Wir gehen in den Basar, der hier ganz unter Dach ist, wo wir schwarz Dollars in Rial wechseln. Wir kriegen einen 11,5 mal besseren Kurs als der offizielle. Mit diesem Kurs kostet uns eine Tankfüllung gerade noch soviel, wie bei uns eine Colaflasche. Da wir gestern Abend noch Briefe für nach Hause geschrieben haben, suchen wir eine Post, was ein ziemlich schwieriges Unterfangen ist. Die Postämter sind hier natürlich alle in Arabischer Schrift angeschrieben und auch äusserlich sehen sie anders aus als bei uns. So gerate ich bei der Suche zuerst in ein Spital, wo man mich lachend wieder hinauskomplimentiert. Endlich treffen wir jemanden, der englisch spricht. Dieser Mann, ein Lehrer, führt uns durch die ganze Stadt. Das erste Postamt hat keine Briefmarken, es ist ein Telegrafenamt. Das zweite hat schon geschlossen, und erst das dritte hat offen und kann uns Briefmarken verkaufen. Wir wollen dem Mann für seine Mühe ein paar Trauben anbieten, wovon wir viel zu viele geschenkt gekriegt haben. Er sagt jedoch, er wolle nichts annehmen, er habe dies für Khomeini getan. Wir stellen jedoch bald fest, dass die meistem Leute keine Khomeinifreunde sind. Es geschieht oft, dass uns jemand beim Vorbeigehen zuzischt: „Khomeini Shit“. Auch folgendes ist auffällig: Zwei Drittel der Lastwagen, die im Iran rumfahren, tragen ein Firmenzeichen wie ‚WHITE‘, ‚Peterbilt‘, ‚MACK‘ und ‚Kenworth‘. Die anderen heissen fast alle ‚Volvo‘ oder ‚Mercedes‘. Vor allem bei den Strassenkontrollen ist uns aufgefallen, dass wir oft nur angehalten wurden, damit die Soldaten mit uns ihr spärliches Englisch üben konnten. Wir besuchen auch die wunderschöne ‚Imam Khomeini‘-Moschee, die Brücke der 33 Bögen, usw. Am Nachmittag fahren wir weiter in Richtung Osten.
Die ominöse Foto und das Erschiessungskommando
Als wir in Ardakan einen Tankstop einlegen, fotografiere ich den Landy in dieser malerischen Tankstelle. Ich werde von einem Mann im Turban beobachtet, der uns sofort als Spione festnehmen lässt. In der Polizeistation werden wir mittels eines Dolmetschers ausgefragt und nach fünf Stunden ins Gefängnis gebracht. Bei der Einlieferung müssen wir alles, was wir auf uns haben, abgeben. Einzig eine Schachtel Marlboro dürfen wir behalten. Dann werden uns die Augen verbunden und wir werden durch einen Hof geführt. Damit wir uns nicht verlieren, geben wir uns die Hand. Nach vielleicht dreissig Metern erreichen wir eine Ziegelwand. Sofort werden wir auseinandergerissen und ich werde mit dem Rücken an die Wand gestellt, Arme schräg nach oben. Ich denke sofort, dass wir nun ohne grosses Federlesens als Spione erschossen werden sollen. Der Iran ist ein Land im Krieg, die Revolutionswächter sind fanatisch, und es weiss keine offizielle Stelle, dass wir uns hier befinden. Ich werfe mich meinem Bewacher, einem sehr fetten, widrigen Gefängniswärter, an den Hals, damit man nicht schiessen kann, ohne ihn zu gefährden. Nach einer Ewigkeit, die vielleicht 15 Sekunden gedauert hat, gelingt es Nick, sich die Binde von den Augen zu reissen, und er sieht sofort, dass keiner eine Waffe hat, und man uns nur Angst machen wollte. Wir werden nun in eine Zelle geführt, die mich genau an die Zelle erinnert, die im Film ‚Papillon‘ in der Internierung vorkommt. Sie hat auch kein Licht und ist gegen oben nur durch quergelegte Eisenbahnschienen geschlossen. Für mich ist sie aber in diesem Moment das Paradies auf Erden, denn ich lebe noch. Wir kriegen sogar ein gutes Abendessen aus gebratenem Reis mit Gemüse, wovon wir jedoch keinen Bissen runterbringen. Irgendwann in der Nacht gelingt es mir, für ein paar Stunden einzunicken. Als ich erwache, sitzt der junge Wärter, der uns gestern das Essen gebracht hat, auf meinem Bett und schaut mich mit liebenden Augen an. Er versucht auch sofort, mich zu berühren. Ich stehe nun vor dem Problem, ihn bestimmt abzuweisen, ohne ihn zu verärgern. Ich werde so nervös, von den gestrigen Erlebnissen und weil keiner weiss, was jetzt passieren wird, dass ich eine Zigarette brauche, deren Rauch ich auch ganz einatme (Ich habe in meinem Leben noch nie geraucht). Nach einer halben Zigarette bin ich wieder soweit ruhig, dass ich mich über das Morgenessen hermachen kann. Gegen Mittag werden uns wieder die Augen verbunden. Diesmal weiss ich jedoch, dass dies nur geschieht, damit wir uns die räumlichen Gegebenheiten des Gefängnisses nicht merken können. Im Hof steht unser Landy, dem man ansieht, dass er komplett durchsucht wurde. Wir müssen hinten einsteigen, vorne sitzt ein Beifahrer, der uns mit der Pistole im Schach hält und ein Fahrer, der offenbar kein Freund meines Landy ist. So werden wir in den 50 km entfernten Provinzort Yazd gebracht, um das dortige Gefängnis auch noch zu geniessen. Wir werden hier wunderbar verpflegt, aber es kann wiederum keiner Englisch sprechen, noch versteht man Worte wie ‚Embassy‘, ‚Consulat‘, ‚Suiiss‘, usw. Im Laufe des Nachmittags werden wir plötzlich von einem freundlichen älteren Herrn, der natürlich auch kein Englisch kann, vor das Gefängnistor geleitet. Hier steht schon unser Landy bereit. Ich kriege die Autoschlüssel und sofort brausen wir los in Richtung Pakistan, bis wir vor Müdigkeit nicht mehr weiterkönnen. Am nächsten Morgen räumen wir erst wieder das total durchsuchte Auto auf. Wir merken, dass man uns alle belichteten Filme weggenommen hat, ausser dem Film, der in der Kamera war, als ich die Tankstelle fotografiert habe. Es fehlen auch noch 400 US$, sonst ist nichts abhanden gekommen. Da wir jedoch jetzt noch leben, sind uns die paar Dollars egal, und wir brausen sofort weiter Richtung Grenze. Nach Passieren von mehreren Strassensperren erreichen wir gegen 15 Uhr die pakistanische Grenze. Innerhalb einer halben Stunde sind wir abgefertigt und können den Schlagbaum passieren. Endlich aus dem Iran draussen !
Die Bilder zur Reise 1987-1988 findest du hier: Flickr