Karakorum

Sackgasse

Heute haben wir viele Kilometer runtergespult, ohne weit zu kommen. Wir wollten über Murree nach Muzaffarabad fahren. In Hil hielt uns die Polizei an und teilte uns mit, ab hier sei militärisches Sperrgebiet und wir müssten umkehren. Hier hat uns alles Verhandlungsgeschick nicht geholfen, damit wir weiterfahren dürfen. Wir haben später erfahren, dass die Pakistanis wieder mal mit den Indern Krach haben, deshalb sind die Grenzzonen jetzt heikel. Wir müssen also bis nach Murree zurückfahren und dann die Richtung zum Karakorum-Highway einschlagen. Wir erreichen spät in der Nacht die Stadt Abottabad, wo wir ein gemütliches Plätzchen finden.

Der Babuzar-Pass

Die Zufahrt zum Karakorum-Highway ist ein totales Verkehrschaos. Es scheint hier recht viele Einwohner auf kleinem Raum zu haben. Auch sehen wir wieder Mal aussergewöhnlich viele tote Lastwagen, die zusätzlich die Strasse blockieren. Wir erreichen trotzdem bald den Eingang zum Kagan-Tal, und folgen der gewundenen Strasse bis nach Naran. Hier in der Nähe ist ein angeblich wunderschöner See, der über eine Horrorstrasse zu erreichen ist. Als wir dann aber erfahren, dass wir dafür rund 50km Umweg fahren müssten (Luftlinie vielleicht 5km), verzichten wir darauf. Wir kommen noch früh genug in grosse Höhen. Die Pause in Naran kommt uns gerade recht. Wir können nun verschiedene Sachen nachholen, wie z.B. Briefe schreiben, usw. Gegen Abend kommt eine Nomadenfamilie, die den Sommer über in den Bergen ihre Schafe hütet, auf die Wiese neben uns und stellt dort ihr Fellzelt auf. Sie werden gerne fotografiert, und wir fotografieren sie gerne, denn sie sind ganz anders bekleidet, als die Leute, die wir bis jetzt gesehen haben. Sogar die Kinder sehen aus wie kleine Könige. Kurz nach Naran, in Besal, hört die Strasse ganz plötzlich auf. Erst nach längerem Suchen entdecken wir einen Holperweg, der weiter ins Tal hinaufführt. Die Einwohner versichern uns, dass hier ein paar Mal im Jahr ein Jeep aus Chilas, das auf der anderen Seite des Passes an der Karakorum-Highway liegt, herüberkomme. Mit unseren Autos, die viel länger und etwas breiter sind als ein Jeep, sei es unmöglich, die Strecke zu befahren. Wir fahren trotzdem mit einem unbegrenzten Selbstvertrauen los in Richtung Pass. Wir sagen uns, dass wir immer umkehren können, wenn es nicht mehr weitergeht. Am Anfang ist der Weg nur als technisch interessant und anspruchsvoll zu bezeichnen. Doch das ändert sich immer mehr zum Extremen. Links geht es senkrecht rauf und rechts geht es fast senkrecht runter. Der Rand des Weges, der ca. 10 cm breiter ist als Landy-Spurweite, ist aus übereinandergeschichteten Steinen gebaut. Wir befürchten dauernd ein Abrutschen des Randes unter unseren Rädern. Teilweise ist der Weg so schief, dass das Auto umkippen würde, wenn sich der Beifahrer nicht an der Innenseite an die geöffnete Wagentür hängen würde. An einer Stelle haben wir riesiges Schwein. Beim Überqueren eines kleinen Baches, der die Strasse kreuzt, kollert ein Stein mit einem Durchmesser von ca. 40 cm runter und klemmt sich zwischen Boden und einen Chassis-Querträger fest. Mit Hilfe von allen fünf Mann und viel Glück bringen wir es fertig, das Auto soweit anzuheben, dass wir den Brocken drunter wegkriegen. Die ganze Übung hat uns zwei Stunden gekostet. Wir erreichen bis zum Eindunkeln keine Stelle, wo man neben die Strasse fahren könnte. Da es absolut tödlich wäre, hier im Dunkeln weiterzufahren, halten wir auf einem einigermassen flachen Strassenstück an, und übernachten wo wir gerade sind. Es wird wohl kaum gerade heute Nacht einer der Gegenverkehr-Jeeps hier durchfahren wollen. Wir befinden uns nun auf 3200 m.ü.M. Am anderen Tag quälen wir uns langsam weiter und erreichen gegen Mittag eine Hochebene, 500 m unter dem Pass. Hier steht ein Dorf aus Steinhütten, die von den im Sommer hier lebenden Nomaden bewohnt worden sind. Wenn die Leute das Tal verlassen, zerstören sie die Hütten, indem sie z.B. ein grosses Loch in eine Wand brechen. Auf diese Art sind sie sicher, dass im nächsten Jahr ihre Hütte nicht schon von einer anderen Familie besetzt ist. Nach einer halsbrecherischen Hangfahrt über ein Geröllfeld erreichen wir den Babuzar-Pass (4023 m.ü.M.). Von der anderen Seite kommt uns eine Maultier-Karawane entgegen. Die Maultiertreiber sind alle bewaffnet, aber sehr freundlich. Bei der Talfahrt müssen wir unter anderem ein Eisfeld überqueren, was uns recht zum Schwitzen bringt. Es hat auch viele Haarnadelkurven, die nur mit zwei- oder dreimaligem Sägen durchfahren werden können. Bei jedem Vorziehen liegt dann das ganze Gewicht des Autos nur noch auf dem vorderen äusseren Rad. Dann endlich erreichen wir das erste Dorf. Die Strasse durch dieses Dorf ist von Steinmauern gesäumt, die so knapp bemessen sind, dass ich eine Fettkappe an der Achse abfahre. Der 110er oder 90er Landy käme hier von der Breite her nicht mehr durch.

Toyota auf Pakistanisch

Weiter unten auf dem Weg, der jetzt wieder eine Schotterstrasse geworden ist, steht plötzlich ein mit ca. fünf Tonnen schweren Balken beladener Landcruiser mit einem Plattfuss auf der Strasse, und ein Haufen Pakistani sind daran, die Strasse unter dem kaputten Rad mit den Händen abzutragen. Wir haben recht Mühe, den Cruiser mit unserem High-Lift anzuheben (Beim Landy, der fast 3 Tonnen hat, geht es kinderleicht). Die Pakistanis ersetzen das kaputte Rad durch ein anderes, befestigen es von Hand mit drei Muttern, wovon die eine noch durchdreht, und los geht’s. Da der Fahrer wegen der Balken keinen Platz für seinen Kopf hat, befinden sich nur seine Füsse auf den Pedalen und die Hände am Steuerrad. Alles andere hängt nach draussen. Auf der recht hohen Ladung sitzen zum Überfluss auch noch zwei Leute. Ich schaffe es nicht, diesem von Allah beschützen Fahrzeug zu folgen, obwohl ich mir einbilde, dass ich mit meinem Landy eine viel bessere Strassenlage habe. Am Abend, es ist schon dunkel, erreichen wir endlich Chilas an der Karakorum-Highway und geniessen es, endlich wieder mal Asphalt unter den Rädern zu haben. Wir haben als allererste Fahrzeuge ausser kleinen Jeeps und einem Belgischen Landy 88 den Babuzar-Pass befahren.

Federkrieg und das erste Verlassen des Autos

In Chilas erholen wir uns von der Anspannung der letzten paar Tage. Wir kriechen nur kurz unters Auto, um festzustellen, dass an drei Federpaketen je ein oder zwei Blatt gebrochen sind. Zwei Tage später fahren wir auf der wunderschönen Asphaltstrasse nach Gilgit, der Hauptstadt der Northern Areas. Bei einer Werkstatt können wir die Einrichtungen benützen und ersetzen die gebrochenen Federblätter. Da wir nur Hauptblätter dabeihaben, müssen wir uns aus Ford-Transit Blättern neue Blätter zurechtschneiden und mit Hilfe eines Schweissbrenners biegen. Nach einer weiteren Nacht erreichen wir Sost, 80 km vor der Chinesischen Grenze. Ab hier gibt es kein Weiterkommen mit dem Auto, die Pakistanischen Zöllner bleiben hart, da mit China ein Abkommen besteht. Die Sondererlaubnis zum Befahren der Strecke bis zur Grenze ist nur in Islamabad zu kriegen, und nach China rein kommt man sowieso nicht mit dem Auto. Wir beschliessen, die Autos hier zu lassen, und morgen mit dem Autobus Richtung China weiterzureisen. Die Autos stellen wir bei einem Wirtshaus hin, die eine Seite gegen eine Mauer und Hecktür an Hecktür. Somit ist nur eine Seite einbruchgefährdet, und die ist vom Zollhaus aus gut zu überwachen.

Die Bilder zur Reise 1987-1988 findest du hier: Flickr

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