Als ich Ende 1989 Albi kennen lernte, schwärmte ich ihm vor, wie gerne ich reisen gehen würde. Worauf er erwiderte, er habe für nächsten Herbst eine Afrikareise geplant; ich solle doch mitkommen. So beschlossen wir, die Reise gemeinsam in Angriff zu nehmen. In der Zeit bis zur Abreise lernten wir uns besser kennen, kündigten auf September unsere Stellen (im Februar), heirateten (im April), bastelten am Reisegefährt (dauernd), kauften Karten und Reisebücher, fuhren mit zwei alten offenen Landrovern zu siebt nach Sardinien (im August), räumten unsere beiden Wohnungen leer und stellten die Sachen in einen Estrich.
So sind wir jetzt, am Freitag, 12. Oktober 1990, in der Autobahnraststätte von Gruyère. Hier warten wir auf unsere Freunde, die uns auf dieser Reise begleiten werden. Die ersten sind Ruedi und seine Mutter Margrith. Sie will nur die ersten paar Monate der Reise mitmachen und dann zurückfliegen. Als nächstes trifft Tinu mit Reisepartner Dänu ein. Die beiden haben nur ein paar Wochen Zeit und werden uns in Algerien wieder verlassen. Auf Urs und René müssen wir ganz schön lange warten. Urs verlegt zu Hause seinen Pass. Nach ewig langem Suchen findet er ihn endlich hinter einem Radiator und stösst doch noch zu uns. Nun sind wir alle beieinander, und das Abenteuer kann beginnen.
Die nächsten fünf Tage sind recht eintönig. Mit unseren vier Landrovern sind wir auf den französischen und spanischen Autobahnen nicht gerade die Schnellsten. Speziell Tinu mit seinem schwachen Diesel, auch Stinkerchen genannt, kämpft manchmal vergebens gegen den starken Gegenwind.
Nachdem wir in Gibraltar erfolglos eine Autofähre suchen, fahren wir nach Algeciras, wo wir innert kurzer Zeit fündig werden. Am Nachmittag überqueren wir die Strasse von Gibraltar. In der spanischen Enklave Ceuta verlassen wir die Fähre und gehen gleich an die Grenze zu Marokko. Hier herrschen bereits aussereuropäische Sitten. Es hat sehr viele Menschen, jeder drängelt, und keiner weiss, wo er wofür anstehen muss. Wir auf jeden Fall haben keine Ahnung! Aber dafür ist gesorgt: Es hat genug Schlepper, die einem für ein „bescheidenes“ Entgelt den Papierkram erledigen. Wir weisen sie jedoch weg und klappern die entsprechenden Schalter selber ab. Was am Anfang so chaotisch aussah, ist nach einer halben Stunde ein recht ordentlicher Ablauf: Zuerst den Einreisezettel ergattern und ausfüllen, am Einreiseschalter anstehen und den Pass abstempeln lassen. Nun folgt das Ganze für das Auto. Ebenfalls ein Papier organisieren und ausfüllen, dann vom Zoll abstempeln lassen und darauf warten, dass ein Zöllner die Autoinspektion vornimmt und einen schliesslich zur Schranke fahren lässt. Dort werden alle Papiere nochmals geprüft, bevor wir ins Königreich Marokko einreisen dürfen.
Bei Nieselregen fahren wir durch das Rif‑Gebirge. Wir bekommen nicht viel von der Landschaft mit, denn alles ist in dichten Nebel gehüllt. So tauchen denn auch die unzähligen Haschischverkäufer erst im letzten Moment vor unseren Augen aus den Nebelschwaden hervor. Winkend, rufend und ab und zu auch drohend versuchen sie, uns ihre Ware zu verkaufen. Wenn wir in einer Ortschaft anhalten, werden wir von den jungen Männern regelrecht bestürmt, und sie können oder wollen es nicht glauben, dass wir nicht kiffen.
Kaum fahren wir vom Gebirge in die karge Wüstenlandschaft, stehen wir schon vor der Grenze zu Algerien. Die Einreise ist recht einfach: Man stellt sich zu den bereits Wartenden auf den staubigen Zollhof, besorgt sich die erforderlichen Formulare, füllt sie aus und wartet darauf, dass ein Zöllner auftaucht. Unterdessen haben wir genügend Zeit, die anderen Leute und ihre Fahrzeuge zu betrachten. Es hat sehr viele algerische Gastarbeiter, die ebenso wie wir durch Spanien und Marokko gefahren sind, nur sind sie auf dem Heimweg und haben ihre Autos dementsprechend mit allem Möglichen und wohl auch Unmöglichen vollgestopft. Wir können uns nicht vorstellen, wie diese Fahrzeuge mit den massiv überfüllten Dachträgern die weite Strecke geschafft haben. Dann hat es hier auch noch ein paar Autoschieber. Das sind die ausnahmslos männlichen und meist französischen Fahrer, die einen Peugeot 504 durch die Sahara an die Westküste Afrikas fahren und dort möglichst gewinnbringend verkaufen. Für die Wüstendurchquerung sind sie mit Sandblechen, Schaufeln und mit Treibstoff gefüllten Ölfässern ausgerüstet. Nach drei Stunden ist es dann soweit, und wir werden nach Algerien eingelassen.
Die Bilder zur Reise 1990-1991 findest du hier: Flickr