Mali

Nach zwei Tagen Fahrt haben wir die Grenze zu Mali erreicht. Auf der algerischen Seite befindet sich eine kleine Ortschaft – Bordj Moktar. Hier erledigen wir die Ausreiseformalitäten und fahren weiter Richtung Süden. Auf der malischen Seite ist gar nichts, der Zoll befindet sich erst in Tessalit. Bis dorthin ist es eine Tagesetappe auf einer steinigen und harten Piste. Dort angekommen begrüsst uns ein Zöllner freudig mit den Worten „Ich habe Sie zuerst gesehen, ich werde Sie abfertigen!“. Dann erklärt er uns, dass er fünf Liter Motorenöl und zwei Liter Getriebeöl brauche. Wenn wir das abgefüllt hätten, würde er wieder zu uns kommen und den Zoll erledigen. Auf solche Forderungen hat uns der Lonely Planet Reiseführer nicht vorbereitet, aber wir sind nicht bereit, die Korruption zu fördern. Wir merken jedoch schnell, dass die Zöllner hier in diesem einsamen Nest alle Zeit der Welt haben, um uns schmoren und unsere Visa ablaufen zu lassen. Also sind wir eindeutig am kürzeren Hebel. Wir handeln die Menge noch etwas herunter und bekommen die Carnet de Passages (die Zolldokumente fürs Fahrzeug) abgestempelt. Dann folgt noch das gleiche Spielchen mit der Immigration. Dieser Beamte liebäugelt mit einem Walkman‑Kopfhörer, der dann nach langem Verhandeln den Besitzer wechselt. Dafür bekommen wir unsere Einreisestempel in die Pässe.

Es hat noch ein anderes Reisefahrzeug in Tessalit. Es ist dies ein uralter Renault Geländelieferwagen, der von fünf Franzosen gefahren wird. Sie haben einen Führer mit dabei, und wir schliessen uns ihnen für die nächsten zwei Tage an. Später merken wir, dass es gar kein Führer ist, sondern ein Tuareg, der den Franzosen bei einer Panne mitten in der Wüste mit einem Ersatzgetriebe ausgeholfen hat. Die Franzosen hatten nicht genug Geld dabei, um den wohl überrissenen Preis zu bezahlen, aber es blieb ihnen gar nichts anderes übrig, als auf den Handel einzugehen. Sie werden in Bamako ihr Fahrzeug verkaufen und den Grossteil des Erlöses dem Tuareg abliefern. Dieser lässt den Renault natürlich nicht aus seinen Augen, um sicher zu gehen, dass er zu seinem Geld kommt. Aus irgend einem Grund müssen wir einen grossen Bogen um die Hauptpiste machen, und wir sind froh, diese Route nicht alleine fahren zu müssen.

In Anéfis verabschieden wir uns von den Franzosen und fahren alleine weiter. Die Piste ist kaum befahren und sehr stark versandet. Wir kommen kaum vorwärts, und die Motoren laufen auf höchsten Touren und sind entsprechend kurz vor dem Kochen. Wir besprühen immer wieder den Kühler mit Wasser, weil sich der Motor durch die fehlende Luftfeuchtigkeit kaum abkühlen kann.
Dann endlich erreichen wir in Bourem den Nigerfluss. Hier befinden wir uns nun eindeutig in Schwarzafrika – die vielen Kinder lassen keine Zweifel aufkommen. Wir werden von ihnen bestürmt und können uns kaum wehren: Jeder will etwas von uns, sei es ein Cadeau, ein Bic oder einfach Geld. Auch steigen sie auf unsere Fahrzeuge und versuchen, alles runter zu holen, was nicht angekettet ist. Die Leiter, um in unser Dachzelt zu steigen, zum Beispiel, ist nur mit Spannsets befestigt. Diese sind schnell mit einem Messer zerschnitten. Der erwachsenen Bevölkerung scheint es egal zu sein, dass ihre Kinder die ausländischen Besucher so belästigen. Da wir uns hier nicht willkommen fühlen, kaufen wir nur kurz Getränke ein, steigen ins Auto und fahren wieder in die einsame Wüste.

Gao wird im Reiseführer folgendermassen beschrieben: Wenn man aus dem Süden kommt, ist es nur ein kleines Provinznest, wo es nichts gibt. Erreicht man die Stadt jedoch von Norden, nach tagelanger Saharadurchquerung, soll man sich laut Reiseführer in einem Paradies wähnen. Wir müssen noch eine Weile warten, bis wir uns davon überzeugen können, denn bei der Ortseinfahrt sitzt ein Polizist in einem Häuschen, den wir jedoch übersehen, weil nichts angeschrieben ist. Darauf setzt er sich auf ein Mofa und holt uns wieder ein. Zurück bei seinem Häuschen schaut er sich unsere Fahrzeuge genau an und beschliesst, wir hätten eine „Infraction“ begangen: Die Rakoboxen in unserem Landy seien nicht genügend gesichert. Dabei sind sie sogar noch mit Zurrgurten befestigt. Wir merken jedoch schnell, dass, wenn nicht die Ladung, dann halt etwas anderes Anstoss erregen würde. So verhängt er uns eine Busse von CFA 9000, was ca. 60 Schweizer Franken sind. Wir lachen ihn zuerst einmal aus, denn soviel Geld verdient er sicher nicht einmal in einem Monat. Nach etwa zwei Stunden müssen wir feststellen, dass wir ihn von der Busse selber nicht abbringen können (er macht uns bedeutungsvoll klar, dass der Richter von Gao auch ein Schwarzer sei), aber der Betrag ist handelbar. Nach weiteren zwei Stunden plaudern, Tee trinken und Spässchen machen, haben wir die „Busse“ dann auf 5 US‑Dollar runter gehandelt. In CFA können wir ihn nicht bezahlen, weil wir noch gar keine Gelegenheit hatten, irgendwo Geld zu wechseln. Heute schaffen wir das auch nicht mehr, denn mittlerweile ist später Nachmittag geworden, und somit ist die Bank geschlossen. Wir fragen uns, ob das der Zweck der Busse und des darauffolgenden Verhandelns war, denn so sind wir darauf angewiesen, auf dem Campingplatz die Nacht zu verbringen und morgen erst Geld zu wechseln. Er begleitet uns auf jeden Fall zum Campingplatz und holt sich dort wohl seine Kommission ab.
Auf dem Campingplatz trinken wir endlich einmal wieder ein eiskaltes Cola – auf Kredit natürlich, wie auch das Abendessen. Es ist auch sehr schön, unter der Dusche zu stehen und von Kopf bis Fuss sauber zu werden.

Am nächsten Tag, einem Freitag, gehen wir auf die Bank. Dort warten wir eine Ewigkeit, bis wir an die Reihe kommen. Wir dürfen nicht mehr als $100 pro Person wechseln.
Da sie an der offiziellen Tankstelle nur CFA nehmen, und wir davon nicht genug haben, suchen wir auf dem Schwarzmarkt nach Benzin. Auf einem Hinterhof erhalten wir gegen Dollar algerisches Schmuggelbenzin, das erst noch billiger ist als das an der staatlichen Tankstelle. Aus grossen Fässern füllen wir kannisterweise 370 Liter Benzin in unsere Tanks. Dann besuchen wir noch den Markt. Er ist zwar sehr bunt, aber zu kaufen gibt es nicht viel.

Da heute Samstag ist, und die Bank somit für zwei Tage geschlossen ist, verbleibt uns nach der Abrechnung mit dem Campingplatz noch gerade genügend Geld, um die Fähre über den Niger zu bezahlen. Leider gibt die Autobatterie von Urs’s Landy gerade auf dem Schiff den Geist auf, so dass wir ihn von der Fähre schleppen müssen. Das wird von den wartenden Polizisten natürlich nicht übersehen und soll verboten sein. Nur mit einer Stange darf ein Fahrzeug abgeschleppt werden. Der grosse Umfang und die Spiegelsonnenbrille des Polizisten zeigt uns ziemlich schnell, dass er nicht gewohnt ist nachzugeben. Weil wir keine CFA haben, können wir durch eine komplizierte Devisenrechnung (soviel CFA sind soviel FF, soviel FF sind soviel CHF und soviel CHF sind soviel US$) die Busse gering halten. Bevor er den Umrechnungsfehler bemerkt, machen wir uns aus dem Staub. Um nicht noch einmal einen Verstoss zu begehen, schieben wir den Landy mit unserem Fahrzeug an – Stossstange an Stossstange! Das ist ziemlich unauffällig und zudem kräfteschonend.

Den Sonntag verbringen wir 40 km vor der nächsten grösseren Ortschaft. Da wir ohne einheimisches Geld sind, warten wir auf den Montag, damit wir in einer Bank Geld wechseln können. Der Lonely Planet Reiseführer hat uns geraten, für Westafrika Traveller Checks und Bargeld in US‑Dollars mitzunehmen. Hier angekommen, merken wir, dass wir mit französischen Francs viel besser dran wären, weil die nämlich überall als Zahlung angenommen werden. Kein Wunder, denn der CFA ist fest an den FF gebunden. Also sitzen wir auf unseren Dollars und sind auf die Banken angewiesen. Nach den ersten Eindrücken von Mali ist das Barometer unserer Reisefreude erheblich gesunken. So haben wir es uns nicht vorgestellt. Uns hat nichts auf die unfreundliche Bevölkerung und die geldgierigen Beamten vorbereitet.

Mopti ist wunderschön gelegen. Auf einem 10 km langen Damm fährt man durch überflutetes Gebiet, bis man die Stadt erreicht hat. Dort herrscht emsiges Treiben, vor allem im Fischerhafen ist einiges los. Auf der Bank werden wir auf den Nachmittag vertröstet, was uns nicht allzu sehr stört. Denn Mopti ist interessant und wir geniessen es, den Leuten zuzuschauen. Am Nachmittag können wir dann endlich soviel Geld wechseln, wie wir wollen bzw. brauchen.
Zum Übernachten fahren wir wieder in die Savanne. Als es dunkel ist, hören wir plötzlich über uns ein gewaltiges Rauschen. Wir wissen nicht, was es ist, denn wir spüren keinen Wind. Nachdem wir mit der Taschenlampe gegen den Himmel zünden, sehen wir die Ursache – ein riesiger Heuschreckenschwarm. Minutenlang fliegen die gefrässigen Viecher über unseren Köpfen hinweg. Ab und zu knallt ein Exemplar gegen unsere Autos. Die Taschenlampe machen wir schnell wieder aus, denn sie zieht die Heuschrecken an, die dann mit uns kollidieren. Bei ihrer Grösse ist das recht schmerzhaft.

Mittlerweile haben wir herausgefunden, weshalb wir uns hier in Mali wie Milchkühe vorkommen: Bis vor ein paar Monaten seien viel mehr Touristen durch ihr Land gefahren, hat uns ein Polizist bei einer Strassenkontrolle erzählt, da habe es gereicht, wenn jeder nur ein wenig Bakshish gab. Aber jetzt, wo fast keine Touristen mehr nach Mali kommen, werden eben die paar wenigen gezwungen, viel mehr zu geben. Sonst ginge ja die Rechnung nicht auf! Wir sind mit dieser Einstellung nicht einverstanden und verzichten entsprechend auf den Besuch des Dogonlandes und der Hauptstadt Bamako. Wir sind nicht gewillt, bei jeder Kontrolle (und es hat sehr viele) dem Beamten einen Lohnzustupf zu bezahlen.
Deshalb fahren wir ohne Umwege Richtung Elfenbeinküste. Unterwegs legen wir noch einen Ruhetag im Gebüsch ein. Die ganze vorherige Nacht bin ich aus dem Dachzelt gestiegen und habe Magen und Darm geleert. Wegen den vielen Mücken bin ich jedes Mal mit schwachen Beinen wieder ins Zelt hochgestiegen, nur um ein paar Minuten später alles zu wiederholen. Die Männer nützen den Tag, um die Landys zu warten.

Die Bilder zur Reise 1990-1991 findest du hier: Flickr

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