Nordamerika 1996-1997
Wie man hinkommt
Nach unserer siebenmonatigen Indienreise haben wir uns ein paar Wochen in der Schweiz aufgehalten, bevor wir am 4. Juni 1996 wieder auf Achse gehen. In der Zwischenzeit haben wir neue Papiere besorgt, unseren mittlerweile fünfjährigen Appenzellermischling Prinz impfen lassen, Freunde und Verwandte besucht und natürlich unser Wohnmobil wieder auf Vordermann bringen lassen und eine Trennwand zum Wohnbereich eingebaut.
Dieses Wohnmobil, ein VW LT mit einem Westfalia Florida Ausbau, genannt Floh, fahren wir nach Bremerhaven. Dort wird er mit der „Pegasus Diamond“, einem Ro-Ro-Schiff, nach Halifax verfrachtet, was voraussichtlich etwa 10 Tage dauern soll. Die Nacht verbringen wir zwischen Bremen und Basel im bequemen Hotelzug.
Drei Tage später schieben wir den mit Tabletten beruhigten Prinz im Flughafen Zürich in eine spezielle Transportkiste und können zuschauen, wie er in unsere Maschine verladen wird. Wegen Prinz haben wir einen direkten Flug nach Montreal gewählt.
Acht Stunden später sehen wir, wie unser Hund in die Gepäckausgabe gebracht wird – mit der Kiste auf dem Kopf stehend! Ganz gelassen drehen die Angestellten die Box wieder um, so dass der grosse Kleber „Live Animals“ wieder oben an der Box ist. Wir befreien unseren armen Hund natürlich sofort, was uns einen gehörigen Rüffel einbringt. Bevor nicht der Zoll erledigt ist, gehöre der Hund in die Kiste. Also bugsieren wir den immer noch benommen Prinz wieder in die Box und widmen uns der Bürokratie.
Nach kurzer Zeit nehmen wir den bestellten Mietwagen entgegen und verlassen den Flughafen. Weil wir müde sind, suchen wir uns östlich der Stadt am St. Lorenz-Strom ein gemütliches Motel.
Alles ist wie im Film
Irgendwie sind wir uns nicht gewohnt, innerhalb so kurzer Zeit von der Schweiz weg in ein bisher noch unbekanntes Land zu kommen. Mir kommt das Ganze vor wie ein Traum: Das Motel, die Imbissstände, die Strassen, die Lastwagen, die Leute – alles ist wie im Film, und die Leute sprechen ein Französisch, wie man es in Frankreich wohl zu Napoleons Zeiten gesprochen hat. Albi kann mit Mühe einigermassen erahnen, was gesprochen wird, aber ich muss mich mit dem Geschriebenen zufrieden geben.
Zwischen Montreal und Québec verlassen wir den St. Lorenz-Strom und fahren nördlich durch unberührtes Gebiet: Wälder, Seen und beinahe keine Siedlungen. Dafür hat es viele Mücken und vor allem „Black Flies“, kleine Fliegen, die schmerzhafte Stiche hinterlassen.
Der Lac St. Jean sieht auf der Karte klein aus, aber wenn man am See steht, kann man das andere Ufer nicht sehen. Ab hier geht es gegen Osten, bis wir in Tadoussac wieder den St. Lorenz-Strom erreichen. In St. Siméon überqueren wir den hier schon mehrere Kilometer breiten Fluss. Auf der anderthalb stündigen Überfahrt sehen wir viele Wale, die grau oder weiss und sehr klein sind.
Wir fahren über Gaspé und Percé dem östlichsten Zipfel Québecs entlang. In Percé gibt es einen Felsen im Meer, der ein Loch in der Grösse eines Scheunentors hat (darum der Ortsname). Hier essen wir zum ersten Mal auf diesem Kontinent ausgezeichnet.
Bei Campbellton kommen wir in die Provinz New Brunswick, und wir hoffen, dass das unverständliche Französisch nun vorläufig zu Ende ist. An der Grenze zu Nova Scotia gibt es ein Tourist Office, wo wir gratis Karten von der Gegend kriegen und auf freundlichste Art allerlei Auskünfte über die Provinz erhalten.
In Halifax gehen wir sofort aufs Büro von American Express, um die Schiffspapiere abzuholen, die das deutsche Frachtbüro hierher schicken sollte. Wie fast befürchtet, wartet hier keine Post auf uns. Beim ortsansässigen Agenten der Reederei gibt man uns beruhigende Auskunft: Die Fahrzeugpapiere reichen aus, um den Floh abzuholen. Das Schiff kommt erst am Montag (17. Juni) an. Somit bleiben uns noch zwei Tage, um mehr von Nova Scotia zu entdecken.
Endlich wieder im Wohnmobil
Über Orte mit Namen wie Truro, New Glasgow und Antigonish kommen wir zur Meerenge von Canso, wo wir uns wieder mal kulinarisch verwöhnen lassen. Wir fahren der Ostküste entlang erneut Richtung Halifax. Dort angekommen, teilt uns der Shipping Agent mit, dass heute noch nichts wird mit dem Auto, da die Schiffsladung noch nicht vollständig gelöscht ist. Wenn alles ausgeladen ist, müsse dann noch „Agriculture Canada“ die Waren inspizieren, und der Wagen muss wegen allfällig eingeschlepptem Ungeziefer abgedampft werden.
Wir nützen die Wartezeit, um beim CAA (Canadian Automobile Association) eine Haftpflichtversicherung für Kanada und USA zu lösen. Die Versicherung ist ein Jahr gültig und kostet ca. Fr. 1000. In Deutschland hätten wir dasselbe für Fr. 3200 abschliessen können.
Nach einem weiteren Besuch beim Agenten gehen wir zum Zoll, wo wir, nachdem wir ein paar Fragen beantwortet haben, den Einfuhrstempel erhalten, ohne dass sie das Auto gesehen haben. Länder gibt’s… Dann fahren wir nach Dartmouth zum Autoport, wo wir unseren Floh stehen sehen – mit fehlender Seitenscheibe! Einbruch, Scheisse! Wir können es nun kaum erwarten, bis ein Angestellter das Auto zu uns bringt. Wir malen uns aus, was alles fehlt, zerbrochen, verschmutzt oder zerrissen ist. Und wo kriegen wir nun eine neue Seitenscheibe her, die passt? Kaum ist das Auto da, rein, Trennwand aufschliessen und der erste Blick ins Innere: Die Scheibe liegt auf dem Bett; das ist wenigstens schon was. Nach oberflächlicher Untersuchung das unerwartete Ergebnis: Es fehlt nichts! Da sind wir mit einem grossen Schrecken davongekommen. Das Fenster können wir wieder einhängen und von innen mit einer Schnur festbinden, bis wir neue Verschlüsse gefunden haben. Das Moskitonetz wurde beim Einstieg zerrissen, sonst ist alles OK.
Nachdem wir das Gepäck umgeräumt und die Prinzenbox aufs Dach geschnallt haben, fahren wir zu Hertz und geben das Mietauto ab. Drop-off Charge ist C$ 400 (Fr. 380), weil wir das Auto nicht nach Montreal zurück bringen. Zum späten Lunch versuchen wir mal das Taco Bell, eine TexMex Fast-Food Kette, die in Zukunft unser Favorit wird. Noch schnell beim Agenten den Einbruch melden und beim CAA das Original der Versicherungskarte nach Winnipeg nachsenden lassen, dann geht unsere Reise wieder richtig los. In Truro füllen wir für Fr. 5 den Gastank.
Der Gezeitenunterschied am Minas Basin soll 12 ½ Meter ausmachen und damit der grösste der Welt sein. Das lassen wir uns natürlich nicht entgehen, obwohl wir im Lauf der Reise Worte wie „der Grösste“, „die Höchste“, „das Längste“ nicht mehr hören können. Dafür quartieren wir uns in einem öffentlichen Campingplatz ein und nehmen gleich auch eine Armvoll Feuerholz mit – schliesslich sind wir ja jetzt in Kanada.
Wir stehen gerade zur richtigen Zeit auf, um den tiefsten Wasserstand zu sehen. Wir räumen das Auto auf und geniessen den schönen Platz, wo man den Nachbarn zwar noch sehen aber nicht mehr hören kann. Um vier Uhr hat die Flut ihren Höhepunkt erreicht, und wir können kaum glauben, dass es vorher noch überall Sandbänke hatte.
Québec
In Fredericton (New Brunswick) gehen wir zum VW Händler, der uns zwar bei den kaputten Fensterverschlüssen nicht weiterhelfen kann, uns aber ein fünf Jahre altes Verzeichnis der kanadisch/amerikanischen VW Händler gibt. Wir hoffen, in Québec fündig zu werden. Während die Wäsche im Laundromat rollt, finden wir im Radio Shack einen Spannungswandler, der von der Autobatterie gespiesen mit genügender Leistung 110 Volt abgibt. Nun kann Albi endlich seinen PC laden, ohne auf eine Steckdose angewiesen zu sein.
Der Transcanada Highway ist gut ausgebaut, so erreichen wir schnell Québec. Nach gut deutscher Geschäftspraxis hat aber VW heute Samstag geschlossen (alle anderen Automarken haben offen).
Noch mal in den Supermarkt und das Auto mit Lebensmitteln füllen, dann geht’s los in Richtung Lac Saint Jean. Unterwegs hat es sehr viel Verkehr, denn heute fangen in Québec die Sommerferien an. Die ganze Zeit regnet es, so dass wir uns kaum aus dem Auto wagen. Bei der letzten Tankstelle vor 190 km Wildnis werden wir von vier Hooligans, deren Van über und über mit Québec Fahnen behängt ist, angemacht. Sie sind aufdringlich freundlich und finden, wir hätten ein tolles Auto. Übermorgen ist „Nationalfeiertag“ der Provinz Québec, die bekanntlich unabhängig sein möchte.
Jedesmal, wenn wir das Auto verlassen, werden wir von allen Arten Insekten heftig bestürmt. Sie versuchen, durch nicht vorhandene Ritzen ins Auto einzudringen, aber zum Glück ist der Floh dicht. Die Gegend hier besteht nur aus Wäldern und Seen, kein Wunder dass es so viele Viecher hat.
Die Seenlandschaft von Ontario
Wir fahren nach Ontario, wo wir bei Hearst an einem See unser Nachtlager früh aufschlagen. Wir vertreten uns alle drei kurz die Beine – ein Fehler. Es ist alles voller Black Flies. Wieder im Auto machen wir uns an die Aufgabe, all die hereingeschleppten Biester abzutöten. Nach etwa zehn Minuten merken wir, dass sich bei Prinz zwischen den Hinterbeinen etwa 50 Stück vollaufen lassen. Der arme Prinz, seine ganze Unterseite ist ein grosses Schlachtfeld!
Man kann sich bei dem Gesurre kaum unterhalten, und beim eingebrochenen Fenster dringen die Viecher stetig ein, obwohl der Durchgang minimal ist. Morgen werden wir das Fenster gründlich zukleben.
Beim VW Vertreter in Thunder Bay werden wir fündig: Alle Westfalia VW Busse in Nordamerika haben statt den bekannten europäischen doppelverglasten Campingfenster nur Schiebefenster, deshalb gebe es diese Verschlüsse hier nicht. Wir merken nun, dass es nicht genug ist, wenn eine Automarke wie VW weltweit vertreten ist, denn hier könnte VW auch „Mars“ oder sonstwie heissen, was den Service für europäische Modelle betrifft. Der VW Händler kann uns die Verschlüsse nicht aus Deutschland besorgen, denn es fehlt ihm die Teilenummer. Er weigert sich, die Teile mittels genauer Beschreibung zu bestellen. Ohne Teilenummer geht der Computer nicht, d.h. es geht gar nichts. Wir fühlen uns von VW mitten in die Sahara versetzt. Wir werden bei der nächsten Gelegenheit Albis Eltern damit beauftragen müssen, die Teile beim Vertreter in Biel einzukaufen und sie uns dann zu schicken.
Der VW Händler kann uns jedoch nach Rückfrage in Toronto sagen, weshalb unser Motor so lärmt und z.T. auch unrund läuft: Der kanadische (und auch der amerikanische) Diesel ist von minderer Qualität, und für die Motoren aus Europa muss unbedingt ein Dieselzusatz beigemischt werden, um die Einspritzdüsen geschmiert zu halten. Nach zwei Tankfüllungen mit Beigabe von Zusatz verschwinden die Probleme tatsächlich komplett.
In Fort Frances kaufen wir uns endlich eine Schirmmütze, damit wir besser integriert aussehen. Bei einem Campingplatz an einem See mieten wir uns ein Kanu, das wir etwa eine Stunde in der Gegend rumrudern. Wieder an Land müssen wir trotz der Hitze im Auto sitzen, denn hier hat es grosse wespenähnliche Insekten, die uns attackieren. Am Freitag regnet es endlich ein wenig, so dass es etwas abkühlt.
In Winnipeg holen wir schliesslich das Original unserer Versicherungspolice beim CAA ab.
Durch die Prärie
In Manitoba ändert sich das Landschaftsbild: Felder, soweit das Auge reicht, und das reicht weit, da alles topfeben ist. In Saskatchewan haben wir Mühe, einen Platz zum Schlafen zu finden, denn jeder verfügbare Quadratmeter ist Feld, und es gibt auch praktisch keine Restareas an der Strasse.
Ab Saskatoon fahren wir auf der Yellowhead Highway, einem nördlichen Zweig der Transcanada Highway. Neben der Strasse sehen wir einen Wolf, der eine Beute in der Schnauze trägt.
Im Elk Island National Park übernachten wir an einem kleinen See, wo wir am Abend den Bibern beim Schwimmen zuschauen können. Anderntags sehen wir an der Strasse, die durch den Nationalpark führt, Hunderte von Bisons. Da heute (1.7.) Canada Day ist, kommen wir zügig durch Edmonton und übernachten auf einem Dorfcampingplatz, wo es um 22:45 Uhr immer noch nicht dunkel ist.
Westkanada und Alaska
Der Alaska Highway
In Dawson Creek fängt der Alaska Highway an, worauf hier auch überall hingewiesen wird. Es ist ein sympathischer Ort im Stil einer Goldgräberstadt, vollgestopft mit Touristen. Auf dem Visitor Centre können wir für $2 pro Seite unsere Faxe versenden.
Der Ölwechsel klappt nicht, da kein passender Filter aufzutreiben ist. Deshalb fahren wir weiter und kommen langsam gegen die Berge und immer mehr nach Norden. Die Strasse wird schlechter, es hat viel Rollsplitt. Wir überlegen uns, die Windschutzscheibe zum Schutz gegen Steinschlag mit durchsichtiger Folie abzukleben, was wir dann aber doch sein lassen.
Am Mittag sehen wir einen Schwarzbären, etwas später noch einen direkt an der Strasse. Wir halten an und schauen ihm etwas zu, was ihn überhaupt nicht zu stören scheint. Prinz dreht natürlich fast durch. Am späten Nachmittag fahren wir in den Bergen an einem wunderschönen See, dem Summit Lake, vorbei, und nach ein paar Kilometern kehren wir wieder um, um dort zu übernachten. Wir brauchen hier seit langem wieder mal die Heizung.
Im schönsten Regen sehen wir ein paar Kilometer weiter ein leider weiblicher Karibu, d.h. ohne die imposanten Hörner. Ab jetzt fahren wir lange Strecken durch Baustellen, wo wir z.T. Probleme haben. Ein paar Mal stecken wir beinahe im weichen Untergrund fest. Wir fragen uns, wie die grossen amerikanischen Wohnmobile, die meistens noch ein Auto im Schlepptau haben, das schaffen. Der Alaska Highway wird im Moment sehr grosszügig ausgebaut, die leichtesten Kurven werden nochmals begradigt, alles wird verbreitert, usw.
Beim Campen im Wald sehen wir ein Tier, das wie ein Luchs aussieht. Währenddem Albi hinter die Büsche geht, singe und pfeife ich, damit sich in der Zwischenzeit kein Bär anschleicht.
In Watson Lake bewundern wir den Signpost Forest, ein wahrhafter Wald von Schildern, die von durchreisenden Touristen hier gelassen werden. Unter den mittlerweile 25’000 Schildern findet man Ortstafeln, Wegweiser, Autokennzeichen, usw. Die Schweiz ist mit diversen Ortsschildern und Wegweisern gut vertreten. Viele Schilder werden schon zuhause sorgsam angefertigt, damit man bei der Durchreise auch eine schöne Visitenkarte dalassen kann.
Die Strasse ist weiterhin voller Rollsplitt und Steine. Wir beschliessen, in der nächsten grösseren Ortschaft ein Steinschlagschutzgitter zu basteln und vor die Windschutzscheibe zu binden. Da es den VW LT auf diesem Kontinent nicht gibt, wäre es schwierig, eine passende Ersatzscheibe zu finden. Bevor wir jedoch in Whitehorse ankommen, knallt uns ein entgegenkommender Lastwagen einen Stein in die Scheibe, und voilà, das zweite Loch in der Scheibe (Das erste haben wir noch in der Schweiz aufgelesen).
Am Teslin Lake, zwei Stunden vor Whitehorse, sehen wir ein unübliches Schild vor einem schönen Campingplatz: „Mukluk Annie Salmon Bake. Free Camping, Free Water, Free Dumping“. Nur wer Strom oder eine warme Dusche will, muss dafür bezahlen. Offenbar rechnen die Eigentümer damit, dass der eine oder andere Campinggast sich dann auch ins Restaurant wagt. Wir versuchen es auch, und wir haben bis heute keinen so guten gegrillten Lachs mehr gegessen.
In Whitehorse gehen wir zum „Beaver Lumber“ einkaufen und basteln uns in den Takhini Hot Springs während zwei Stunden ein Schutzgitter für die Windschutzscheibe. Ein Rahmen aus Holz, ein Drahtgitter darüber gespannt, vier Tennisbälle als Aufliegepunkte gegen die Fahrzeugfront befestigt (so können die Scheibenwischer hinter dem Gitter noch funktionieren), und mit ein paar Spannsets wird das Ganze vor die Scheibe gehängt. Das Ding ist erstaunlich stabil, auch bei 100 km/h vibriert es nicht und erzeugt weniger Windgeräusche als ohne das Gebastel. Der einzige Nachteil ist eine Beeinträchtigung der Sicht. Das Ding sieht eher lächerlich aus, aber wenn man bedenkt, dass wir hier noch kein einziges Auto mit intakter Windschutzscheibe gesehen haben, macht es doch Sinn.
Die ersten paar km sind schrecklich zum Fahren. Man sieht fast nichts, aber mit der Zeit gewöhnt man sich daran. Das Blöde ist: Bis nach Dawson hätten wir den Schutz gar nicht gebraucht. Auf der gesamten Strecke hat es ca. 50 m Kies, der Rest ist sauber gewischte Teerstrasse. Dafür haben uns schon ein paar Leute bewundert: „Good idea…“.
In Dawson fahren wir mit der Fähre über den Yukon. Im Winter, wenn der Fluss zugefroren ist, hat es eine Eisbrücke. Wir sind froh, ist jetzt Sommer. So können wir auf dem Campingplatz noch lange draussen sitzen und um zehn Uhr trotz Sonnenschein ein Lagerfeuer machen. Wegen der vielen Eichhörnchen kommt Prinz – und somit wir – die ganze „Nacht“ nicht zur Ruhe. Es wird nicht mehr dunkel, denn Sonnenuntergang ist um 24:15 Uhr, Sonnenaufgang um 04:25 Uhr.
Dawson City ist ein Überbleibsel vom Klondyke Goldrush, viele Häuser sind im Stil von damals restauriert worden. Am Westufer des Yukon, 100 m unterhalb unseres Campingplatzes, liegen drei Raddampfer am Ufer. Sie sind total zerfallen und ein Paradies für Enthusiasten, da jedes Detail bestens erkennbar ist.
Beim Wasserfüllen ab Handpumpe merken wir, dass der Permafrost nicht weit weg sein kann, denn das Wasser ist eiskalt.
Der Dempster Highway nach Inuvik
Der Dempster Highway ist beinahe ab dem ersten Kilometer sehr schön. Die gesamte Strecke von 750 km ist ungeteert, aber der Strassenzustand ist wenigstens auf den ersten 300 km sehr gut. Wir fahren durch ein Hügelgebiet mit eindeutig nordischer Tundravegetation.
In Eagle Plains, genau in der Mitte zwischen dem Anfang der Highway und Inuvik gibt es ein Motel, ein Restaurant und eine Tankstelle. Interessanterweise haben wir in ganz Kanada noch nie so billig getankt wie hier am Ende der Welt. Ab jetzt wird der Strassenbelag steiniger. (Wir haben später gemerkt, dass der Schotter sehr scharf war und unsere Reifen richtig abgekratzt hatte.)
Der Polarkreis (km 405) liegt auf einer Krete, die dem arktischen Wind, der hier weht, kein Hindernis in den Weg legt. War es wirklich erst heute Morgen, als es uns zu heiss war? Am nächsten Morgen ist es immer noch kalt, nun aber ohne Wind.
Ab jetzt ist der Strassenzustand einiges schlechter: Mehr Lehm als Schotter. Dadurch wird das Ausweichen schwieriger, und der Floh nimmt ein schönes Graubraun an. Auf der Bergkette, die die Grenze zu den Northwest Territories bildet, ist alles gefroren. Die Gräser, die Büsche, die Signalpfosten, überall hat es eine dicke Eisschicht drum. Brrrr…
Bei jedem entgegenkommenden Fahrzeug bremsen beide ab und weichen so weit wie möglich zur Seite aus. So hätten wir den Steinschlagschutz gar nicht gebraucht.
Bei Fort McPherson überqueren wir den McKenzie mit einer Fähre. Von hier an kennt man nun keine Rücksicht mehr beim Kreuzen. Unsere Indienerfahrung kommt uns zugute, um den Gegenverkehr von der Strassenmitte wegzubringen. Also sind wir doch froh um unser Fliegengitter.
Im Eskimo-Städtchen Inuvik steuern wir zuerst den Chuk Campground an, wo wir von Mücken überfallen werden. Nachdem wir unseren windgeschützten Platz gegen einen windigen getauscht haben, ist es etwas besser. Auf geteerten Strassen fahren wir später in die Stadt und gehen einkaufen. Alle Häuser in Inuvik stehen auf Stelzen, weil der Permafrost durch die Heizwärme sonst aufgetauen und das Haus im Schlamm versinken würde. Die Häuser sind mit einer 40 cm dicken, 1 m über dem Boden liegenden Rohrleitung verbunden, die gut isoliert Frischwasser und Abwasser transportiert. Hier haben die Autos übrigens interessante Nummernschilder: Blaue Schrift auf weissem Grund, Spruch „Explore Canadas Arctic“, und das Ganze in Form eines Eisbären!
Da die Strasse bei der Rückfahrt trockener ist, ist sie etwas besser zum Fahren, und wir schaffen es in 1 ½ Tagen zurück nach Dawson City. Wir sind früh dran und fahren gleich weiter auf dem „Top of the World Highway“ Richtung Alaska. Die ungeteerte Strasse ist so steil, dass die Kühlwassertemperatur höher als normal ansteigt.
Wir übernachten in Sichtweite der Grenze auf einem Platz mit wunderschöner Aussicht bis zum Mt. Denali.
Welcome to the USA
Die Einreise in die USA ist eine kurze Sache. Wir müssen eine Einreisegebühr bezahlen und bekommen dafür die Pässe abgestempelt.
Auf einer staubigen Wellblechpiste kommen wir in Tok wieder auf den Alaska Highway. Nachdem wir das Fliegengitter vor der Windschutzscheibe abmontiert haben, wird das Auto gründlich gewaschen. Der Lachs, den wir in der lokalen Salmon Bake kriegen, ist ungeniessbar. Wahrscheinlich sind wir von Mukluk Annie verwöhnt. Auch der Service lässt etwas zu wünschen übrig, die ganze Sache funktioniert nämlich wie folgt: Zuerst bezahlt man und bekommt Plastikteller, damit man sich am Salatbuffet bedienen kann. Wenn das Fleisch oder der Fisch fertig ist, kriegt man über Lautsprecher mitgeteilt: „Switzerland, for Graf, one Salmon and Ribs, Switzerland, for Graf, come and get it!“ Alles schön romantisch und gemütlich – so etwas haben wir noch nicht mal im Film gesehen. Wir amüsieren uns köstlich, aber wünschen uns trotzdem nach Kanada zurück.
Beim Einkaufen sehen wir ein Wohnmobil, das hinten ein drei Meter hohes Kreuz und jede Menge heilige Sprüche befestigt hat. Später ziehen zwei Clowns mit der Aufschrift „Clowning for Christ“ durch unseren Campingplatz.
Im Regen fahren wir der Alaska Range entlang. Nicht dass wir sie sehen würden in den Wolken, aber auf der Karte verlaufen die Berge westlich der Strasse. Dafür sehe ich einen und Albi drei Elche.
Am Nachmittag treffen wir ein älteres Ehepaar aus Wien. Sie gehen im August zur Goldwaschmeisterschaft nach Dawson. Die Italiener sind offenbar die Besten im Goldwaschen, aber auch die Schweizer seien gut.
Der Denali National Park ist voll. Wir buchen für in zwei Tagen einen Platz im Park und fahren wieder etwa 10 km zurück, bis wir uns neben 15 anderen Campern auf einen Platz stellen, wo es kein Campingverbot hat. Das Wetter ist sehr launisch: Mal scheint die Sonne, fünf Minuten später ist alles wolkenverhangen und es regnet. Um halb zwölf, kurz vor Sonnenuntergang, gehen wir ins Bett. Elf Stunden später stehen wir auf und stellen fest, dass wir nicht zum Warten gemacht sind. Wir treffen die wohlüberlegte Entscheidung, heute noch weiterzufahren. Da man den Park eh nur mit dem offiziellen Bus besuchen kann, verzichten wir darauf und fahren weiter.
Auf der Fahrt gegen Anchorage haben wir Glück: Der Mount McKinley zeigt sich von der allerbesten Seite, ohne ein Wölklein. Wir haben nachher erfahren, dass er vom Nationalpark aus gar nicht so gut sichtbar ist.
In Anchorage lassen wir zwischen Einkaufen und dem Lunch im Pizza Hut mal wieder die Wäsche rollen. Danach machen wir uns auf den Weg nach Seward. Weil es uns zuviel Kies auf dem Teer hat, holen wir unser Schutzgitter vom Dach runter und schnallen es wieder vor die Windschutzscheibe. Es hat viel sehr schnellen Verkehr, die meisten Fahrzeuge mit total zerschlagener Scheibe. Wir geniessen lieber unsere Gefängnisatmosphäre.
Der Portage Glacier, von dem man so viel hört, ist nicht mehr so imposant, wie er früher wohl war. In den letzten paar Jahren hat er sich so stark zurückgezogen, dass er jetzt anstatt mitten im See, 50 m oberhalb des Sees aufhört. Dafür finden wir ganz in der Nähe an einem schönen Teich einen Platz zum Übernachten.
Alaskas Tierwelt
Gegen Mittag erreichen wir Seward und erkundigen uns nach einer Glacier Cruise. Wir kriegen Tickets für heute Nachmittag um drei. Die Schiffsfahrt dauert sechs Stunden und kostet US$ 100 pro Person. Ganz schön happig, aber wir wollen ja auch was sehen.
Mit dem Wetter haben wir absolutes Glück: Die ganze Zeit scheint die Sonne, es hat kaum Wolken, was hier sehr selten ist. Wir sehen viele Tiere: Seeotter, Seehunde, Robben, Killerwale, Lachshaie und viele, viele Vögel.
Beim Holgate Gletscher, der weit ins Meer hinausragt, wird das im Preis inbegriffene Abendessen serviert. Es schmeckt ausgezeichnet, und die Stimmung unter einem Überhang von Millionen Tonnen Eis ist unbeschreiblich.
Prinz gerät beinahe aus dem Häuschen, als wir acht Stunden später endlich wieder auftauchen. Da es schon spät ist, übernachten wir auf dem Stadtcamping, der sich kilometerweit dem Strand entlang zieht.
Nach einem gemütlichen Aufstehen, mit duschen, kommen wir erst etwa um 11 Uhr los und erreichen Anchorage etwa um zwei. Aber Taco Bell serviert auch um diese Zeit noch.
Auf dem Glenn Highway fahren wir dann in Richtung Valdez. Am späten Nachmittag finden wir einen schönen Rastplatz, wo Albi gleich Feuer macht, damit die Chiliwürste mal aufgegessen werden. Während dem Essen schauen wir dauernd in der Gegend rum, damit uns kein Bär überrascht. Prinz merkt das natürlich und ist ganz aufmerksam. Wir bekommen keinen zu Gesicht, aber um 23 Uhr (es ist ja immer noch hell) erscheint eine Elchkuh (Moose) mit ihrem Jungen und fängt an, gemütlich vor unserem Auto zu grasen. Als Prinz, der natürlich in eine andere Richtung aufgepasst hat, die Tiere entdeckt, fängt er an zu bellen, und das Junge rennt ein paar Meter weg ins Gebüsch, aber die Alte schaut nur kurz auf und frisst gleich weiter. Weil es langsam langweilig wird, steigt Albi mal aus dem Auto zum schauen, wie die Elche reagieren. Sobald sie einen Abstand von ca. 5 m haben, grasen die zwei wieder ganz gemütlich. Jetzt fehlt nur noch der Grizzly (Braunbär) auf unserer Wildlife Liste.
Abstecher nach Valdez
Die Strecke von Glennallen nach Valdez ist schön, und auf dem Thompson Pass sieht alles wie auf der Grimsel aus. Valdez finden wir auf Anhieb unsympathisch. Das Geld wird den Touristen nur so nebenbei aus der Tasche gezogen, an erster Stelle kommen Öl und Fischerei. Der Viewpoint um auf das Pipeline Terminal zu schauen, stellt sich als RV Park heraus: „Absolutely No Trespassing“, wir schauen es uns trotzdem an.
Beim Tanken (Full Service) will sich niemand dem Auto nähern, und das Museum ist teuer. Wir fahren zum Ölterminal rüber, um die paar Informationsschilder zu lesen. Dabei sehen wir Lachse, die vergeblich versuchen, einen Bach hochzukommen, wo jetzt ein Kraftwerk steht. Es sind Riesendinger und sie sind zu Tausenden. Die Amerikaner sind natürlich wie wild am Fischen.
Auf der Rückfahrt treffen wir zwei Gstaader mit einem Landrover 110 und verplaudern prompt drei Stunden, und das, obwohl es draussen recht kühl ist.
Ab Tok sind wir wieder auf dem Alaska Highway. Wir montieren das Steinschlaggitter und sind froh drum: Es hat viele Streckenabschnitte, die frisch geteert und gekiest sind.
Am kanadischen Zoll fragt die Zöllnerin nach Bärenspray oder Pfefferspray. Unsere Pfefferspray-Dose liegt genau in ihrem Blickfeld, darum sagen wir es ihr, nur damit sie sie gleich als illegal beschlagnahmen kann.
Ab der Grenze sind die nächsten 150 km sehr mühsam, da alles eine einzige riesige Baustelle ist, mit zum Teil sehr weichem Untergrund oder dann gleich heftigem Wellblech. Es regnet, damit auch alles schön einschlammt.
Wieder in Whitehorse, gehen wir gleich auf die Post, wo wir die von Albis Eltern geschickten Ersatzteile abholen können. Endlich funktionieren unsere Fenster wieder normal. Dann tauschen wir unsere vielen ausgelesenen Bücher in der Bücherbörse gegen andere. Nachdem der ganzen Stadt der Strom ausgegangen ist und deshalb kein Laden mehr Kunden einlässt, machen wir einen 4 km langen Spaziergang durch den Miles Canyon. Weil sich komische Typen herumtreiben, lassen wir den Plan, hier zu übernachten, fallen, und schlafen irgendwo an der Strasse.
Ein ganz normaler Arbeitstag
Nach dem Frühstück sind wir bereit zum Arbeiten. Wir rufen AT&T an, damit sie uns ein Anmeldeformular für die Telefonkarte faxen können, dann versuchen wir zu telefonieren. Es gibt in ganz Whitehorse nur einen einzigen Ort, an dem man internationale Telefongespräche führen kann, nämlich im „Chamber of Commerce“. Leider ist der Zuständige in der Mittagspause, und danach beträgt die Wartezeit eine Stunde. Mittlerweile wird es in der Schweiz wegen der Zeitverschiebung zu spät, um noch jemanden anzurufen.
Wir arbeiten noch mehr: Kleider waschen, Auto waschen, Ölwechsel machen lassen. So ist es berechtigt, wenn wir uns schon um vier Uhr auf den sehr schönen Wolf Creek Campground begeben. Mit der neu erstandenen Axt spaltet Albi Feuerholz (das gibt’s auf den meisten Campingplätzen in unbeschränkter Menge und gratis), und ich mache einen Kartoffelsalat, den wir zum gegrillten Filet essen.
Am Abend – es ist ja dauernd hell – gibt es einen Nature Walk mit Talk zum Thema „Forest and Fire“. Es ist sehr interessant. Wir lernen dabei, dass gewisse Wälder nach einem Zyklus von 100 bis 150 Jahren abbrennen müssen, nach dem Motto: Es ist nicht eine Frage, ob es brenne, sondern wann es brenne. Mit der Zeit hat es so viel Brennstoff – Nadeln, trockene alte Bäume – dass es einfach mal brennt. Danach schlüpfen wir aus unseren neu gekauften Jeans und fallen sehr müde auf unsere ebenfalls neu gekauften Kissen. Beim Aufstehen merkt Albi, dass wir uns die letzten zwei Tage körperlich betätigt haben: Er hat Muskelkater!
Wir machen einen Auslflug nach Skagway. Die Fahrt dorthin ist sehr schön und dauert nur etwa 3 Stunden. Ab der amerikanischen Grenze fährt die „White Pass & Yukon Route“, eine Schmalspurbahn, deren Streckenverlauf ein technisches Wunderwerk ist. Skagway selbst ist ein Teil des Klondyke National Park. Die Häuser an der Main Street sind alle alt oder auf alt nachgebaut, und man fühlt sich wirklich in die Zeit des Goldrausches zurückversetzt. Wir erkunden noch, wo es auf den Chilkoot Pass geht. Dies ist ein mörderisch steiler Pass, über den jeder Goldsucher eine Tonne Lebensmittel schleppen musste, damit es in Dawson City – wo das Gold gefunden wurde – keine Hungersnot gab, im Fall dass der Yukon früher als erwartet gefrieren sollte.
Wir fahren bei gewohnt schönem Wetter zurück nach Whitehorse, wo wir den Yukon Raddampfer SS Klondyke anschauen. Alles ist in perfektem, betriebsbereitem Zustand. Wir wissen nun, wie wir die Wrackteile, die wir im Raddampfer Friedhof in Dawson City gesehen haben, zusammensetzen müssten.
In einem Computerladen darf Albi die Telefonleitung brauchen, um die E-Mails zu checken. Da wir den PC (mit Windows 95) noch immer nicht mit Memory aufstocken konnten, geht aber alles so langsam, dass es nicht klappt: Albi kann zwar seine Mails empfangen, aber diejenige, die wir schon lange vorbereitet haben, kann er nicht abschicken.
Der Cassiar Highway
Wir verlassen Whitehorse so spät, dass wir zum Mittagessen bei Mukluk Annie sind und uns mit dem allerbesten Lachs verwöhnen lassen können. Da es hier am Teslin Lake sehr schön ist, verbringen wir gleich den ganzen Tag hier. Wir gehen mit Prinz spazieren. Aber er scheint davon nicht so begeistert zu sein. Ob er wohl krank ist?
Am nächsten Tag legen wir unterwegs einen Halt ein und laufen etliche Kilometer zu Wasserfällen und merken nun, was Prinz fehlt: Er hat offensichtlich Muskelkater! In der letzten Zeit kam er nicht so viel zum Rumlaufen, und nun die letzten zwei, drei Tage diese Herumrennerei! Es scheint ihm nichts zu fehlen, aber manchmal knicken ihm fast die Beine ein.
Bei schönstem Wetter und grösster Hitze fahren wir nach Watson Lake, wo der Cassiar Highway anfängt. Wir fahren an herrlichen Seen vorbei, bis wir das erste Stück ungeteerte Strasse erreichen und den Steinschlagschutz wieder vorbinden. Auf diesem Highway gibt es drei lange Streckenabschnitte, die ungeteert sind.
Am Bear Glacier vorbei fahren wir nach Hyder, das gerade ein paar Meter in Alaska liegt, aber keinen Zollposten hat, da es ausser nach Kanada zurück nirgendwo hingeht. Hyder besteht aus ca. 10 Häusern. Das Dorf auf der kanadischen Seite, Steward – zählt vielleicht 1000 Seelen. Wir fahren zum Übernachten zurück an einen schönen Platz am Bear Glacier. Dort treffen wir ein deutsches Paar aus Hamburg, die ein paar Jahre Zeit haben, mit ihrem Mercedes Allradlastwagen die Welt zu bereisen. Wir sitzen lange zusammen und tauschen Erfahrungen aus.
Bei Hazelton treffen wir wieder auf den nördlichen Teil des Transcanada Highways, den Yellowhead Highway. Hazelton ist ein kleines unbedeutendes Dorf, ausser dass hier jeder ein oder mehrere Totempfähle vor dem Haus stehen hat. Das benachbarte New Hazelton ist ein Dorf aus der Western-Zeit, alles gut erhalten, und gleich daneben gibt’s ein gutes Indianermuseum.
Jasper National Park
Am Mount Robson (3956 m), dem höchsten Berg der kanadischen Rocky Mountains vorbei, erreichen wir den Jasper National Park. In Jasper gehen wir aufs Tourist Information Büro und erkundigen uns nach Campingplätzen. Einer der zwei ortsnahen Plätze sei bereits voll, wir sollen den Wapiti Campground ansteuern. Weil der folgende Montag ein Feiertag ist, und Calgary für ein verlängertes Wochenende nicht weit weg liegt, werden alle Campingplätze spätestens morgen voll sein. Wir machen uns auf die Socken und kriegen einen schönen Platz. Wir beschliessen, gleich bis am Montag hier zu bleiben und Tagesausflüge zu machen. So müssen wir nicht jeden Tag neu einen Platz suchen.
Albi macht sich sogleich ans Holz spalten. Leider ist das gegrillte Fleisch ungeniessbar – es war wohl alt – und Prinz kriegt deshalb ein Festessen. Wir sehen mehrmals einen Wolf durch den Campingplatz laufen, zum Teil sehr nah an uns vorbei.
Und auf der Fahrt zum Frühstück in Jasper sehen wir einen Schwarzbären an der Strasse. Etwas später in der Ortschaft selbst, auf der Suche nach einer Tankstelle mit Diesel, beobachten wir einen weiteren Schwarzbären. Zuerst watschelt er über die Eisenbahngeleise, dann treibt er sich auf einem Parkplatz zwischen den Autos herum, schnüffelt etwas im Gras, reisst ein paar Stücke Rinde von einem Baum und geht gemütlich wieder über die Geleise. Wir haben erfahren, dass dieses Jahr eine Beerenart missraten ist, und so die Bären hungriger sind als normal und deshalb vermehrt in Ortschaften und Campingplätzen auf Futtersuche gehen. Dabei können sie, wenn sie etwas Essbares riechen, auch gefährlich werden.
Wir machen einen Ausflug nach Mt. Edith Cavell. Da die Strasse für amerikanische Verhältnisse schmal ist, wird hier im Einbahnverkehr gefahren: In der ersten Hälfte der Stunde geht’s rauf, in der zweiten geht’s runter. Beim Runterfahren sehen wir schon wieder einen Bären direkt an der Strasse.
Da wir so schön am Ausflüge machen sind, besichtigen wir heute auch noch die Athabasca Falls, ein paar schöne Wasserfälle mit enorm vielen Touristenbussen.
Am Morgen sehen wir eine Hirschkuh (Wapiti) mit ihrem Jungen. 50 m neben uns grast sie gemütlich und lässt sich vom Campingplatztreiben nicht stören. Schliesslich heisst er ja auch Wapiti Campground. Wir besichtigen den Maligne Lake und machen nördlich von Jasper einen Spaziergang mit Hund.
Das Mittagessen beim teuren Italiener lässt zu wünschen übrig, so kochen wir am Abend ein indisches Chicken Curry. Es ist so gut, dass wir es noch zwei Tage später riechen. Das ganze Auto riecht wie eine indische Lastwagenkneipe. Am Nachmittag grast eine Herde von ca. 30 Wapitis um uns herum. Prinz gerät ganz aus dem Häuschen und vergisst sogar seine Eichhörnchen, die er dauernd die Bäume hoch jagt.
Banff National Park
Unterwegs nach Banff fahren wir am mächtigen Columbia Eisfeld entlang. Hier werden die Touristen mit speziell angefertigten Bussen über den Gletscher geführt. Leider spielt das Wetter nicht mit, so dass wir von der Landschaft nicht viel mitkriegen.
In Lake Louise wimmelt es von Touristen – so viele, dass es auch uns zuviel wird. Auf der Weiterfahrt nach Banff sehen wir drei männliche Wapitis und ein dem Steinbock ähnelndes Dallsheep. Auf den Campingplatz werden wir eindringlich vor Bären gewarnt.
In Banff gehen wir aufs American Express Büro, um endlich unsere AT&T Calling Card abzuholen. Leider ist nichts da, und nachdem wir AT&T angerufen haben, wissen wir, dass unsere Application irgendwie unters Eis geraten ist. Wir ärgern uns und fahren weiter.
Bereits am nächsten Tag haben wir die Rockies verlassen, und die Hitze lässt uns einen Platz an einem See suchen, wo wir Prinz ans Wasser gewöhnen. Er ist ziemlich wasserscheu und läuft normalerweise um jede noch so kleine Pfütze herum. Aber mit einem Apportierstock bringen wir ihn dazu, sich ins Nass zu wagen.
USA – Der Westen
Schwierige Einreise
Als wir in die sogenannten „Lower 48“ (die 48 Gliedstaaten ohne Alaska und Hawaii) der USA einreisen wollen, werden wir zur Seite gebeten. Die Zöllner verlangen, dass wir Prinz in sicherer Entfernung an einem Zaun anbinden und wir uns ins Zollgebäude begeben, während sie unser Wohnmobil durchsuchen. So etwas ist uns noch an keinem Grenzübertritt passiert, und wir weigern uns, ihnen das Auto, mit allem was drin ist, einfach so zu überlassen. Unser Reiseführer warnt auch davor, weil es an der südlichen Grenze schon öfters vorgekommen ist, dass die Zöllner (und zwar die amerikanischen und nicht etwa die mexikanischen) einem Touristen Drogenschmuggel vorgeworfen haben. Es ist einfach, in einem Fahrzeug ein Päckchen Drogen zu finden, wenn niemand zuschauen kann. Ob diese Unsitte dazu dient, die Drogenfahndungsstatistik zu verbessern, wissen wir nicht.
Wir erklären ihnen, dass sie zwar gerne unser Auto durchsuchen können, aber nur in unserem Beisein. Prompt werden wir vor ein Ultimatum gestellt: Entweder lassen wir sie machen, wie sie wollen, oder wir verzichten auf einen Besuch ihres Landes! Was bleibt uns da anderes übrig, als zu gehorchen? Wir binden Prinz mit der U.S. Customs Leine an den Zaun, händigen den Autoschlüssel aus und gehen ins Zollgebäude. Nach einer halben Stunde ist die Arbeit getan, und wir dürfen zum Wohnmobil zurück und überprüfen kurz, ob nichts fehlt. Die Beamten wollten übrigens weder irgendwelche Autopapiere (Fahrzeugausweis, Carnet de Passages oder Haftpflichtversicherung) noch den Impfausweis von Prinz sehen. Einzig unsere, von der letzten Reise mit pakistanischen und iranischen Stempeln gefüllten Reisepässe, schienen ihnen ein Dorn im Auge gewesen zu sein.
Die erste richtige Ortschaft ist Leavenworth. Wir stellen den Floh auf einen Parkplatz und spazieren durch diesen kitschigen Ort, der in einem bayrisch/österreichisch/schweizerischen Stil gebaut ist. Überall hat es Blumen und „Herzlich willkommen“ Schilder. Es gibt ein Lebkuchenhaus, ein Hotel Edelweiss, ein Glockenspiel zur vollen Stunde und sehr viele Touristen. Albi sucht vergeblich nach einem europäischen Espresso und begnügt sich dann mit einer heissen Schokolade.
Olympic National Park
Der Olympic National Park überrascht uns mit richtigem Regenwald. Es ist zwar nicht tropisch heiss, wie wir es von den asiatischen Urwäldern gewöhnt sind, aber offenbar braucht es wirklich nur genug Feuchtigkeit, um einen grünen Dschungel wachsen zu lassen. Obschon es nicht regnet, tropft es überall von den riesigen Bäumen. Sie sind alle über und über mit Moos behangen, und zwischen den stehenden Riesen, verstopfen die umgestürzten Bäume den Boden. Wir machen einen Spaziergang durchs Gehölz. Wir laufen dauernd über beziehungsweise durch vermoderte Stämme und Äste, so dass der Boden unter unseren Füssen ganz weich ist. Es fühlt sich an, als würde man mit Luftkissen unter den Schuhen laufen.
Das Feuer auf dem Campingplatz will nicht so recht brennen, aber mit genügend Anzündflüssigkeit, gelingt es uns doch, die Würste zu grillen.
Die Pazifikküste vom Park ist richtig geisterhaft. Es ist eiskalt, und eine dicke Nebelwand reicht vom Meer her bis etwa 20 Meter ins Land.
In einem grossen Supermarkt gehen wir einkaufen. Am Abend öffnen wir dann den neuen Sack Hundefutter. Dabei wird es uns beinahe übel, so sehr stinkt dieses es. Vergebens suchen wir ein „Haltbar bis … “ Datum. So etwas können wir unserem Hund unmöglich verfüttern, und wir schmeissen das Zeugs in die nächste Mülltonne.
Wir nehmen nun alle heute eingekauften Esswaren aus den Schränken und schauen uns die Sachen genauer an. Auch beim Müesli steht weder ein Herstell- noch ein Ablaufdatum auf der Packung, aber nach einem kurzen Riecher, ist auch hier klar: ungeniessbar! Auf dem Orangensaft steht ein Ablaufdatum: Januar 1996 – wir haben heute den 13. August 1996! Somit wandert auch der Orangensaft. Etwa drei Viertel der gekauften Ware entsorgen wir wieder. Wir wundern uns über all die Sicherheitsvorkehrungen, die es in diesem Land braucht, aber die Läden dürfen gar nicht gekennzeichnete oder aber abgelaufene und verdorbene Lebensmittel verkaufen. Sogar in Indien steht auf jedem Produkt das Herstellungs- und das Ablaufdatum!
Yellowstone National Park
Unser nächstes Ziel ist Yellowstone, der älteste Nationalpark der USA. Nach zwei Tagen Fahrt, erreichen wir ihn an einem Freitag Nachmittag. Da immer noch Schulferien sind, ahnen wir Böses, was einen Campingsite betrifft. Trotz dem „Full“ Schild, stehe ich bei der Reception an, schliesslich findet man für ein so kleines Wohnmobil wie unseres immer einen Platz. Und siehe da, der Park Ranger lässt sich erbarmen und weist uns einen Platz zu.
Wir besichtigen gleich „Old Faithful“, ein Geysir, der regelmässig jede Stunde eine Fontäne sprüht. Bis wir am späten Nachmittag im Camp zurück sind, haben wir genug Geysire gesehen. Auch die Fauna ist vielfältig: Wir haben mehrere grosse Bisonherden gesehen.
Zum Abendessen fahren wir nach West Yellowstone und sehen prompt viele Elche, Hirsche und natürlich noch mehr Bisons. Später am Abend hält ein Park Ranger einen Vortrag über die Wölfe, die hier wieder erfolgreich angesiedelt werden.
Am zweiten Tag machen wir eine grössere Rundfahrt durch den Park. Dabei steigen wir nicht mehr bei jedem sprudelnden oder dampfenden Loch aus, dafür bekommen wir einen guten Überblick über diesen grossen Nationalpark. Wir sehen immer wieder verkohlte Bäume. Vor ein paar Jahren ist ein grosser Teil der Wälder einem Waldbrand zum Opfer gefallen. Früher wurden die kleinen Waldbrände jeweils sofort gelöscht, so dass sich mit der Zeit sehr viel brennbares Fallholz angesammelt hat. Als es dann einmal grossflächig brannte führte dieser „Brennstoff“ dazu, dass das Feuer viel intensiver und heisser war, als für den Wald gut ist. So konnten nicht einmal die grossen und kräftigen Bäume überleben. Seit diesem Grossbrand werden in den amerikanischen Nationalparks kontrollierte Feuer gelegt, damit sich der Wald regelmässig erneuern kann, ohne dass gleich alles in Flammen aufgeht. Dafür sind nun im Yellowstone National Park durch das grosse Feuer neue Weidegebiete entstanden, von denen jetzt die grossen Bisonherden und andere Weidetiere profitieren.
Nach zwei Tagen fahren wir weiter. Der Weg führt uns nochmals am Old Faithful vorbei, und wir erwischen ihn gerade im schönsten Sonnenlicht mit einem besonders grossen „Sprutz“.
Salt Lake City
Durch den Grand Teton National Park fahren wir südwärts Richtung Salt Lake City, der Mormonenstadt in Utah. Es wird immer heisser. Die Luft ist sehr trocken und der Floh wird etwas warm beim Steigungen erklimmen.
In Salt Lake City steuern wir den VIP Camping an, mit $20 pro Nacht unser erster teurer Platz. Albi bestellt nun zusätzliches Memory für das Laptop, damit dann hoffentlich das E-Mail Programm endlich richtig funktioniert. Wir schicken ein paar Faxe ab, dann suchen wir einen Quick Lube, eine Ölwechselbude. Da sie keinen Ölfilter für unseren VW haben, schicken sie uns zum VW-Händler, um einen zu besorgen. Vor der Firma Intermountain Volkswagen stehen Discoverys, Range Rovers und sogar ein Landrover 90er. Ob wir wohl am richtigen Ort sind? Die Angestellten kommen einer nach dem anderen raus, um unseren coolen VW zu besichtigen und zu fotografieren. Sogar der Chef lässt es sich nicht entgehen, diese Rarität zu bestaunen und mit uns zu plaudern. Wir kaufen gleich drei Filter, damit wir ein paar vorrätig haben. Zurück beim Quick Lube bekommen wir einen „professionellen“ Empfang mit Pepsodent Lächeln und Fragebogen, auf dem die zu verrichtende Arbeit sorgfältig notiert wird. Leider schreibt der Typ schneller, als er zuhören kann, dabei überhört er, dass Albi ihn darauf aufmerksam macht, dass es ein Turbodiesel sei und deshalb spezielles Öl verwendet werden müsse. Auch die Leute in der Grube unter dem Auto sind in der Regel nicht besser: Professionell an der Oberfläche, aber meine Mutter würde den Ölwechsel sauberer und sorgfältiger machen. Alles muss schnell gehen, das Resultat ist egal, man kann ja mit der Garantie zurückkommen, wenn etwas nicht in Ordnung ist.
Nach erledigter Arbeit, wird alles noch in den Computer eingegeben. Nummernschild, Name, Adresse und „State“, aus welchem Bundesstaat wir kommen. Wir erklären, dass wir Schweizer seien, worauf der freundliche Angestellte uns fragt, welches die Abkürzung dafür ist. Nachdem sein Computer das CH nicht entgegennehmen will (schliesslich ist die Schweiz keiner der 50 amerikanischen Bundesstaaten), erklären wir ihm nochmals, dass wir nicht Amerikaner seien, sondern Schweizer aus Europa. Worauf er plötzlich eine Erleuchtung hat: Aha, wir seien von „Out of State“!
Salt Lake City lässt uns nicht los
Da wir zwei Tage aufs Laptop Memory warten müssen, machen wir eine Rundreise. Die Berge um Salt Lake City sind über 3000m hoch, entsprechend geht es rauf und runter. Da der Floh immer wieder ungewöhnlich warm wird, wechselt Albi mal den Thermostat.
Wir übernachten auf einem abgelegenen und sehr gemütlichen Gratiscampingplatz, wo sogar jemand Feuerholz dagelassen hat, so dass wir unser Steak nicht zu einem Beef Rendang schnetzeln müssen. Prinz hat wieder massenhaft kleine Freunde, die die Bäume hoch rennen und ihn von dort hänseln. Entsprechend muss er sie natürlich ordentlich anbellen.
Am nächsten Tag wird die Kühlerwassertemperatur immer noch ziemlich warm, wenn’s den Berg hoch geht. Ob wohl die trockene Luft so viel ausmacht?
Mittags im Pizza-Hut merken wir, dass die Schulferien zu Ende sind: Der ganze Laden ist voll von Teenies von der benachbarten High School.
Zurück in Salt Lake City warten ein paar Faxe auf uns aber kein Paket mit dem bestellten Memory. Am Nachmittag gehen wir ins Mocca Modem, ein Lokal wo man aufs Internet gehen kann. Wir haben das Laptop dabei und möchten nur eine Telefonleitung. No Problem, es kostet nicht mal was, denn Lokalgespräche sind hier gratis. Das Mail empfangen klappt nicht, denn der PC ist einfach zu langsam.
Am nächsten Tag ist Sonntag und immer noch kein Memory da. Wir besichtigen den Salt Lake, aber nur kurz, denn die Salzkruste stinkt so grässlich, dass wir flüchten müssen. Am Montag ist immer noch keine Post da. Albi ruft den Lieferanten an, der erklärt, dass das Memory – trotz unseres Auftrags für Expresspost – erst am Freitag auf die normale Post sei. Das dauert dann mindestens drei Arbeitstage, bis es bei uns ist. Toll, so funktioniert eine Expressbestellung! Wir beschliessen, in der Zwischenzeit ein paar Nationalparks anzuschauen.
Arches National Park
Am späten Nachmittag sind wir im Arches National Park. Im Visitor Center kriegen wir ein Merkblatt über Haustiere im Park. Hunde dürfen nicht auf Wanderwege oder ins Backcountry mitgenommen werden. Sie sind nur im Campingplatz, auf der Strasse und auf den Parkplätzen erlaubt. Diese Regeln seien da, um die delikate Landschaft zu schützen. Wir fühlen uns für dumm verkauft, da man z.B. mit Pferden kreuz und quer überall herumpreschen darf und die Landschaft aus hartem Gestein besteht. Vielleicht ist ein Huf weicher als eine Hundepfote? Überhaupt dürften wir Prinz auf dem gesamten Gebiet der USA nie von der Leine lassen, denn nur auf dem eigenen eingezäunten Grundstück ist es erlaubt, einen Hund frei laufen zu lassen. Mit diesen Vorschriften sollten Hunde als Haustiere eigentlich verboten sein, weil man sie ohne Auslauf gar nicht artgerecht halten kann. Die Vorschrift, den Hund an der Leine zu führen, ignorieren wir meistens einfach, wie übrigens die meisten Amerikaner auch. Es ist natürlich in diesem Fall besonders angenehm, dass unser Prinz so gut gehorcht und sich eigentlich nie weit von uns entfernt.
Nach einer Nacht auf einem Gratiscampingplatz am Fluss (ausserhalb des Parks) nehmen wir die Parkstrasse früh in Angriff. Bei Sonnenaufgang sind wir bestens positioniert, um ein paar gute Fotos von Felsbögen und „Windows“ beim Panorama Point zu machen. Wir treffen Holländer, die uns erzählen, dass der Mesa Verde National Park wegen Waldbränden geschlossen sei. Gut zu wissen, denn das wäre eigentlich unser nächstes Ziel gewesen.
Ganz hinten im Park hat es einen sehr schönen Campingplatz zwischen riesigen Felsbrocken, der leider auf Tage hinaus ausgebucht ist. Wir machen aber eine Wanderung zu den schönsten Bögen im Park, dem Delicate Arch, dem Landscape Arch, Double O Arch, und Devil’s Garden.
Da das Visitor Center uns bestätigt, dass der Mesa Verde für die nächsten paar Tage geschlossen sei, fahren wir zum Natural Bridges Monument. Dies ist ein relativ kleiner Nationalpark, wo eine Strasse einem Tal entlang führt, in dem sich ein Fluss windet. An mehreren Stellen hat der Fluss den Felsen zwischen zwei Windungen durchgefressen, so dass natürliche Brücken entstanden, die alle Dimensionen von äusserst delikat bis absolut massiv einnehmen. Die hiesigen Steinbrücken sind ein interessanter Vergleich zu den Steinbögen vom Arches NP, dessen Brücken vom Wind gebildet wurden.
Bryce Canyon
Durch unzählige Canyons in den herrlichsten Farben geht’s weiter. Am Lake Powell getraut sich Prinz nach etwas Nachhilfe (Stock werfen) sogar ins tiefe Wasser, und plötzlich gefällt es ihm auch. Kein Wunder, denn so ein Bad kühlt schön ab.
Unser nächster Halt, der Bryce Canyon, hat eine Unmenge wunderschöner „Türme“. Der Regen hat die Seiten des Canyons wegerodiert ausser an Stellen, wo ein Stein lag, der den Aufprall der Regentropfen abfing. Nun sieht die ganze Landschaft aus wie das Lieblingskissen eines Fakirs. Leider ist es etwas bewölkt, so dass die leuchtenden Farben der Türme nicht recht zur Geltung kommen.
Am Abend schauen wir uns endlich mal ein Rodeo an. Die Hauptsache ist das Einfangen von wilden Kühen mit dem Lasso. Ein anderer Schwerpunkt ist das Reiten auf einem wilden Bronco. Um Punkte zu kriegen, muss man eine Anzahl Sekunden (ich glaube 20 Sekunden) oben bleiben. Für noch nicht voll ausgebildete Rodeo Reiter wird das Programm auf dem Rücken einer Kuh, eines Kalbes oder sogar eines Schafes abgehalten. Alle Tiere, inklusive der Schafe, bocken wirklich wild in der Gegend rum und versuchen, den Reiter abzuwerfen. Für die Frauen gibt es auch etwas: Sie müssen so schnell wie möglich zwei Mal hin und her um zwei Fässer reiten. Man merkt gut, dass sowohl das Männer- wie das Frauenprogramm für die lokale Bevölkerung sehr ernsthafte Angelegenheiten sind. Wir treffen hier Fabrice und Marilyne aus Frankreich, die mit ihrem Landrover eine dreijährige Weltreise unternehmen. Wir verplaudern noch ein paar Stunden, bis uns die Kälte ins Bett jagt.
Am andern Morgen stehen wir früh auf und besichtigen den Park nochmals. Nun scheint die Sonne, und alles sieht noch schöner aus als gestern.
Gegen Mittag erreichen wir den Nordrand des Grand Canyons. Nachdem wir eine Weile die Aussicht vom View Point genossen haben, gibt es zum Mittagessen eine Überraschung. Die Lodge hat erstklassiges Essen; endlich wieder mal was anderes als die immer gleichen Restaurantketten. Wir fahren noch zu einem anderen Aussichtspunkt und stellen fest, dass wir offenbar den Grand Canyon in zwei Stunden gesehen haben. Auf den Abstieg in den Canyon verzichten wir, schon nur wegen Prinz, der sich natürlich auch hier nicht mehr als ein paar Meter vom Parkplatz entfernen darf. Den South Rim wollen wir nicht unbedingt anschauen. Wir müssten einen Umweg von ca. 700 km fahren, um dorthin zu kommen. Vielleicht kommen wir später nochmals dazu, z. B. von Las Vegas aus.
Nach einem Blick auf die Strassenkarte stellen wir fest, dass wir heute problemlos Salt Lake City erreichen können. Abends um 6 Uhr sind wir verschwitzt und erschöpft auf dem VIP Camp, wo das langersehnte Paket auf uns wartet. Albi schiebt das Memory in den dafür vorgesehenen Schlitz auf der Seite des Laptops, und schon läuft die Maschine im Eiltempo. Während ich schaue, dass die Wäsche gewaschen wird, klickt Albi das Modem an die Telefonleitung des Campingplatzes und schafft es endlich, unsere zum Teil vor drei Monaten verfassten E-Mails abzuschicken.
Unterwegs
Nachdem wir unsere Vorräte aufgestockt haben, machen wir uns auf den Weg in westlicher Richtung. Wir fahren dem Salt Lake entlang und passieren das Great Evaporation Basin, wo die Geschwindigkeitsweltrekorde gefahren werden. Es ist öde und sauheiss.
Wir erreichen den Staat Nevada und merken sofort, womit hier Geld gemacht wird. Es hat mehr Casinos als Häuser. Als wir aufs Geratewohl in eine Seitenstrasse fahren, um ein ruhiges Plätzchen für die Nacht zu finden, geraten wir zu einer riesigen Goldmine. Um das unbefugte Goldgraben zu verhindern, ist alles eingezäunt. Da die Gegend ansonsten aber menschenleer ist, können wir eine absolut ruhige und sternenklare Nacht geniessen.
Nachdem wir mangels anderen Strassen einen ganzen Tag auf der Interstate gefahren sind, sind wir froh, auf eine normale Strasse abbiegen zu können. In dieser Gegend gibt es fast keine Dörfer mehr. Mittagspause machen wir an einer Strassenkreuzung. Das Gebäude hier hat alles, was man braucht: Benzin, Motel, RV-Park (Camping), Restaurant, Bar, Snacks, WC und natürlich Slot Machines. Am wichtigsten an diesem Sonntag Nachmittag ist jedoch der Fernsehapparat, wo ein Footballspiel aufmerksam verfolgt wird. Wenn man den Schildern an der Wand glauben will, werden hier die besten Burgers der Vereinigten Staaten serviert. Wir probieren dieses beliebte Mittagsmenu (das übrigens wenig mit der bei uns bekannten McDonalds Version zu tun hat) und stellen fest, dass an der Behauptung schon etwas dran ist.
Am Montag, dem 2.9., ist Labor Day, und somit ist die amerikanische Ferienzeit endgültig vorbei. Ab jetzt werden wir wohl kaum mehr auf volle Campingplätze stossen.
Bereits am frühen Nachmittag erreichen wir den Crater Lake National Park, wo wir uns einquartieren. Wir finden endlich raus, weshalb der Floh bei jeder stärkeren Steigung warm wird: Das untere Drittel des Kühlers ist mit Sand und Lehm zugeschmiert, den wir auf einer Baustelle am Alaska Highway aufgelesen haben. Da es vorher nie sehr heiss und trocken war, und da es im Norden kaum lange Steigungen gab, die mit hohen Geschwindigkeiten gefahren werden, haben wir nichts gemerkt. Albi putzt den Kühler so gut es geht mit Wasser und Bürste.
Gestern haben wir ein feines malayisches Beef Rendang gekocht, und heute gibt es ein Gourmet Essen mit Fisch, der mit Chili-Knoblauch Marinade in Alufolie über dem Feuer geschmort wird. Dazu gibt’s Kopfsalat mit Avocado.
Nachdem wir geduscht haben, und das Wasser aufgefüllt ist, fahren wir zum Kraterrand hoch. Die Aussicht über den Kratersee ist sehr schön. Wir knipsen ein Bild und fahren weiter.
Im National Forest ausserhalb des Nationalparks kann sich Prinz wieder austoben. Er gräbt ein riesiges Loch. Die Wurzeln, die ihm im Weg sind, beisst er einfach weg. Er hat nicht gemerkt, dass das Eichhörnchen schon längst aus dem Notausgang verschwunden ist. In der Gegend gibt es viele Campingplätze. Da aber ein riesiger Waldbrand wütet, sind alle bis auf einen geschlossen. Wir machen’s uns hier zusammen mit den Feuerwehrleuten gemütlich.
Sanddünen am Meer
In der nächsten Ortschaft essen wir in einem uralten A&W Restaurant zu Mittag. Mit dem Auto fährt man auf einen Platz, bestellt das Essen über Mikrofon und wartet bis ein Tablett mit der Ware am Autofenster angehängt wird. Guten Appetit! Da unser Auto zu hoch ist, um unter die Schattendächer an das Mikrofon zu fahren, müssen wir aussteigen und ins Lokal reingehen. Wir setzen uns auf die alten roten Lederbänke und bestellen mittels des am Tisch befestigten Telefons aus den 60er Jahren unser Essen. Ich weiss nicht, ob sich die Kellnerinnen zu dieser Zeit bereits überlange falsche Fingernägel aufklebten, aber der Rest sieht genau so aus, wie man es aus den Filmen kennt. Die Rock’n’Roll Musik aus den Lautsprechern wurde aufgenommen, bevor ich geboren wurde.
Während wir der Pazifikküste entlang fahren, kommen wir seit langem wieder mal in den Regen. Es wird so kühl, dass wir am hellen Nachmittag die Heizung brauchen. Wir fahren zu den Oregon Sand Dunes. Auf diesen grossen Dünen direkt am kalten Meer machen wir etliche schöne Dünenwanderungen. Prinz ist ganz begeistert, sich im weichen Sand austoben zu können. Seit wir mit ihm in Indien waren, hat er eine Riesenfreude im Sand.
Damit Albi endlich mal etwas am Fahrzeug schrauben kann, beschliesst er, die Räder wegen der Reifenabnützung diagonal auszutauschen.
Kalifornien
Die Riesen vom Redwood Park
Weil wir den Redwood National Park nicht an einem Wochenende besuchen wollen, machen wir noch einen kleinen Umweg. Wir fahren auf einer schmalen kurvenreichen Strasse (das ist erwähnenswert, weil die amerikanischen Strassen sonst überdimensioniert ausgebaut sind) dem Rogue River entlang durch eine herrliche Berglandschaft. Von Grants Pass aus machen wir noch einen Abstecher zum Bolan Lake, hoch in den Bergen im Pinienwald. Bei schönstem Wetter kommen wir in Crescent City an und gehen in einen K-Mart einkaufen. Als wir rauskommen, ist die ganze Gegend in dicken Nebel getaucht, und sofort wird es eiskalt. Um wieder an die Sonne zu kommen, müssen wir 40 km landeinwärts fahren, wo wir seit langem wieder einmal auf Mücken stossen.
Anderntags sind wir wieder in Crescent City, wo der Redwood National Park beginnt. Nach ein paar Telefonaten in die Schweiz sind wir bereit, die bis zu 120 m hohen Bäume zu besichtigen. Sie sind riesig und wachsen kerzengerade in den Himmel. Kein Wunder, dass sie beinahe überall abgeholzt wurden. Wir fahren dauernd wieder durch Nebelschwaden, von der Küste sieht man deshalb kaum etwas. Wir halten an verschiedenen Orten an und machen kleine Wanderungen durch den Wald, aber am besten wirken die Riesen, wenn man der Strasse entlang fährt und dabei einen Slalom um die Stämme macht.
Prinz hat irgendwelche Viecher aufgelesen. Er kratzt sich dauernd, und wir finden in seinem Fell zwei uns unbekannte Exemplare. An einem Stausee gehen wir auf einen Campingplatz mit fliessend Wasser. Dann wird Prinz mit einer Seife gegen Parasiten gut eingeseift und abgespült. Nachdem wir das Abwasser aus dem Wohnmobil abgelassen haben – jeder Campingplatz hat dazu eine Normeinrichtung – schmeissen wir eine ganze Flasche WC-Reiniger in den Tank, um den stinkenden Belag weg zu bringen. Das Reinigungsmittel ist zähflüssig und kaum den Schlauch runter zu kriegen. Wir lassen es einwirken. Am Nachmittag merken wir, dass das WC-Mittel den Ablauf des Lavabos verstopft hat, und wir müssen ihn mühsam wieder entstopfen.
Am nächsten Tag kratzt sich Prinz immer noch. Wir gehen davon aus, dass die Biester die Giftattacke überlebt haben, und holen neuen Kampfstoff hervor: In der Schweiz haben wir einen Spray gekauft, der alles abtöten soll, ausser den Hund selbst. Wir sprayen den armen Prinz von Hals bis Schwanz mit dem grässlich stinkenden Zeug ein. Ein paar Viecher fangen schon an, benommen aus dem Fell zu fallen. Wir packen ein paar ein, damit wir später jemanden fragen können, was das für Dinger sind. (Um es vorweg zu nehmen: Es waren ganz normale Flöhe!)
Beinahe werden wir verhaftet
Am Mono Lake mit 10% Salzgehalt essen wir zu Mittag. Dann fahren wir in die Sierra Nevada. An der Grenze zum Yosemite National Park lassen wir uns auf 10’000 Fuss (3200m) nieder. Als die Sonne langsam dem Horizont entgegen geht, wird es sofort eiskalt. Zum Glück haben wir eine Standheizung – nur funktioniert sie nicht. Wahrscheinlich hat es hier nicht genügend Sauerstoff in der Luft, um die Dieselheizung zu zünden.
Ich habe immer stärker werdende Kopfschmerzen, die wohl an der Höhe liegen. Wir sind 3000m in innert einer halben Stunde hochgefahren! Deshalb beschliessen wir, unser Nachtlager in tiefere Regionen zu verlegen. Ab hier geht’s wieder runter. Die ersten 20km vom Yosemite National Park sind beeindruckend, vor allem im Licht des Sonnenuntergangs. Im Park darf man nur auf Campingplätzen übernachten. Also machen wir uns auf die Suche – ohne Erfolg. Entweder sind die Plätze geschlossen, voll, oder sie erlauben keine Tiere. Nach einer Stunde bei Dunkelheit fahren, haben wir genug. Wir stellen uns auf einen Parkplatz und fangen an, zu kochen. Nach einer Viertelstunde klopft ein Parkranger an die Tür. Wie erwartet können wir hier nicht übernachten. Wir erzählen unsere Leidensgeschichte von vollen Campgrounds, Dunkelheit, Müdigkeit, usw. Darauf gibt er uns den Rat, die 10 km zum nächsten Campingplatz zu fahren. Der sei sicher auch voll, aber wenn wir auf dem Parkplatz davor übernachten, sage keiner was, denn dort habe es eine Ranger Station, und wir seien nicht alleine „on the roadside“. Gesagt, getan.
Um sieben Uhr früh stehen wir auf und fahren zu einem anderen Parkplatz, damit wir nicht etwa die Campingplatzgebühr bezahlen müssen, obwohl wir nur ein paar Quadratmeter Teer gebraucht haben.
An einem steilen, flachen Felsen, dem El Capitàn, sehen wir viele kleine Figuren am klettern. Zum Teil sind die Kletterer tagelang in der Wand, und wir fragen uns, wie sie das mit der Verdauung wohl bewerkstelligen. Da man hier ein so schönes Schauspiel hat, und da Sonntag ist, hat es natürlich Hunderte von Zuschauern, so wird die Sache sicher auch nicht einfacher.
Wir fahren durch das Yosemite Valley und geniessen die Landschaft. Als wir aus einem Parkplatz herausfahren, haben wir plötzlich einen Parkranger hinter uns, komplett mit rot-blau-weissen Blinklichtern auf dem Dach. Wir müssen anhalten, richtig wie im Film. Wir erinnern uns, dass wir nicht aussteigen sollen, weil das ja als Fluchtversuch gelten könnte. Also bleiben wir sitzen und überlegen uns, was wir wohl angestellt haben. Ein äusserst arroganter Typ in Uniform erklärt uns, dass wir das ausgediente Alaska-Kennzeichen nicht zeigen dürfen, das sei eine felony (ein Schwerverbrechen – Mithilfe zu Mord ist beispielsweise kein Schwerverbrechen). Das Nummernschild, das wir in der Windschutzscheibe haben, ist ein nicht mehr angemeldetes Nummernschild, wie es in Alaska an jeder Ecke für Touristen zu kaufen gibt. Er verlangt, dass wir ihm das Nummernschild, das sicher gestohlen sei, sofort aushändigen. Albi zeigt ihm die Quittung vom Souvenirladen und weigert sich, ihm das Schild, das ja uns gehört, zu geben. Nachdem er Albi androht, ihn wegen Nichtbefolgen von Anordnungen eines Ordnungshüters festzunehmen, gibt er ihm halt das Schild. Offenbar nicht sachte genug, denn nun findet er, Albi habe einen Angriff gegen einen Ordnungshüter gemacht. Nun checkt er das Nummernschild über Funk – es ist nicht gestohlen. Was wir schon wussten. Dann will er unsere Pässe, schliesslich muss er die auch nachprüfen. Die Leute, die mit ihren Fahrzeugen hinter unserem Zirkus warten müssen, werden langsam ungeduldig und fragen den Ranger, ob wir nicht etwas zur Seite fahren können, damit sie durchkommen. No – this is official business! Nach dem Überprüfen der Pässe kommt der Ranger zurück und teilt uns mit, dass in Alaska eine Person mit Albis Namen, seiner Grösse und seinem Geburtsdatum per Haftbefehl gesucht werde. Uns beiden stünden Gefängnis nicht unter 6 Monaten und Landesverweis (wobei er klar andeutet, dass der Landesverweis für uns wohl das schlimmere Übel sei) bevor. Albi schafft es nicht, gegen einen so arroganten Typen freundlich zu bleiben und sagt einfach kein Wort mehr. Nach einer Weile des gegenseitigen Schweigens gibt er uns mit einer Ermahnung die Pässe und sogar das Nummernschild zurück. Als wir nachher auf einem Parkplatz anhalten, entschuldigen sich ein paar Amerikaner, die die Szene mitverfolgt haben und meinen, ein solcher Gesetzeshüter sei ihnen wirklich noch nie vorgekommen.
Wir machen, dass wir davonkommen und fahren durch ausgetrocknete Graslandschaft zum Pine Flat Reservoir, einem schönen Stausee, der leider nur noch halb voll ist. Unterwegs sehen wir immer wieder grosse Taranteln auf der Strasse. Als wir anhalten, um ein Exemplar genauer zu besichtigen, geht die haarige Spinne sofort in Angriffsstellung. Darauf verzichten wir auf einen Spaziergang.
Sequoia National Park
Heute steht der Sequoia National Park auf dem Programm. Mit dem letzten Tropfen Diesel fahren wir die Tankstelle im Nationalpark an. Danach fahren wir durch den Sequoia Wald mit den dicken Bäumen. Bis zu 11m Durchmesser am Boden, bis zu 80m hoch und bis zu 3500 Jahre alt werden sie. Es stehen nicht sehr viele solche Riesen da, aber sie sind gewaltig. Nur ist es etwas zu kalt, um lange durch den Wald zu spazieren, und überhaupt macht es ohne Prinz keinen Spass. Wie in fast jedem Nationalpark darf man den Hund im Gegensatz zum Pferd nicht mit auf die Wanderwege nehmen. Die Strasse vom hochgelegenen Park runter ist kurvenreich, steil und schmal. Wir übernachten in einem Wald, wo drei Rehe absolut zutraulich um uns herum grasen.
Death Valley
Die Gegend wird immer trockener und heisser. In Ridgecrest hat es trotz der wüstenähnlichen Landschaft erstaunlich viele Leute und Läden. Das liegt wohl an den vielen Militärgebieten in der Umgebung. Um ins Death Valley zu gelangen, muss man sich zuerst über einen 2500m hohen Pass kämpfen. Entlang der Strasse hat es Wassertanks, damit man den Kühler auffüllen kann.
Das Death Valley ist mit 86m unter Meereshöhe der tiefste Punkt der USA, die umliegenden Berge sind aber bis zu 3370m hoch. Es ist absolut trocken, und im Sommer werden hier regelmässig Rekordtemperaturen gemessen. Wir stehen morgens um 5:45 Uhr auf, damit wir den Sonnenaufgang am Zabrinski Point bewundern können. Oben angekommen, warten wir zitternd vor Kälte über 45 Minuten, bis die Sonne endlich hoch genug ist, um die Felsen rot zu färben. Der ganze Park ist ein Kunstwerk aus Stein und Sand, wo die extremen Temperaturunterschiede und der Wind die unglaublichsten Formen geschaffen haben.
The Strip
Unser nächster Stopp ist Las Vegas. Auf dem sogenannten Strip, der Casinomeile, fahren wir in die Stadt hinein. Ein Casino neben dem anderen: Luxor, Excalibur, Caesar’s Palace, New York, Fantasia, Treasure Island… Wir landen im Circus Circus, das einen Campingplatz hat. Es ist so heiss, dass wir tagsüber beim Auto bleiben. Es wäre unmöglich, Prinz im Auto zu lassen, er würde es nicht überleben. Deshalb gehen wir erst am Abend trotz Müdigkeit auf einen Sprung ins Casino rüber. Wir verspielen während drei Stunden netto $12 an den Slot Machines. Wir sind überrascht, wie viel wir immer wieder gewonnen haben. Selbstverständlich haben wir den Gewinn aber auch gleich wieder verspielt, denn es soll ja Spass machen.
Wir reservieren für übermorgen wieder einen Platz und machen einen Ausflug zum Lake Mead, damit wir uns ein wenig abkühlen können. Wir mieten ein Boot und fahren so auf dem grossen Stausee herum. Immer wieder springen wir zusammen mit Prinz ins kühle Nass. Auf der Rückfahrt nach Las Vegas machen wir noch einen Abstecher zum Hoover Staudamm, der wohl so heisst, weil sich die Touristenfahrzeuge hier so schön stauen. Sogar jeder Schweizer Tourist will sich diese überhaupt nicht besondere Staumauer ansehen. Wir natürlich auch!
Zum Mittagessen sind wir bereits wieder in Las Vegas. Dann verbringen wir die heisseste Zeit des Tages aus Solidarität wie gewohnt bei Prinz. Mit dem Taxi fahren wir bei Dunkelheit ins Luxor, wo wir enttäuscht schnell wieder herauskommen. Es hat überhaupt keine Atmosphäre. Gegenüber, im Excalibur, stehen wir beim Buffet Schlange, dann gehen wir zum Spielen wieder in „unser“ Casino zurück. In dieser mit dunkelrotem Samt geschmückten Spielhölle fühlen wir uns wohl. An der Bar machen wir ein paar elektronische Poker, währendem wir einen Drink schlürfen. Dann stürzen wir uns auf die 5¢ und 25¢ Banditen. Nach $15 haben wir unsere Spiellust befriedigt und gehen schlafen.
San Francisco
Stundenlang fahren wir durch einsame und heisse Wüstenlandschaft. Bei den Steigungen hat der Floh immer noch heiss. Nicht mehr so schlimm wie in Utah, aber noch nicht gut, so dass wir in der nächsten grösseren Ortschaft den Kühler mit Druckwasser reinigen. Auf diese Art kommen noch ganze Schlammmassen hervor. Wenn wir Zaire bei Regenzeit durchquert hätten, wäre wohl nicht mehr Dreck abgeflossen. (Nur das Durchkommen wäre etwas schwieriger gewesen!)
Weil es der direkteste Weg nach San Francisco ist, fahren wir erneut durch den Yosemite National Park, diesmal jedoch bei Tageslicht. Auf der letzten Hügelkette vor der grossen Stadt entdecken wir eine „Beule“ am Reifen. Der Pneu hat an der Aussenwand eine grosse Luftblase – es sieht aus, wie ein überdimensionierter Wespenstich. Wir wechseln das Rad und stellen fest, dass wir in San Francisco neue Reifen kaufen müssen, weil sie trotz den erst 40’000 gefahrenen km ziemlich zerschlissen sind. Der letzte Satz Pneus lief 60’000 km, inklusive die Strecke nach Indien und zurück. Offenbar haben ihnen die Schotterpisten im Norden stärker als erwartet zugesetzt.
In San Francisco stellen wir das Wohnmobil auf einen teuren RV Park (das ist ein privater Campingplatz – RV = Recreational Vehicle) und mieten uns einen Kleinwagen, ein amerikanisches Produkt namens Geo Metro. So steht unser Floh an einem sicheren Ort, und wir können unbeschwert in der Grossstadt herumkurven. Was wir natürlich auch ausgiebig tun. Wir fahren den Scenic Drive, eine ausgeschilderte Touristenroute durch die Stadt und geniessen so unsere erste grosse City in den USA. Ein Besuch im berühmten Chinatown darf auch nicht fehlen, und wir essen zum ersten Mal seit Singapore wieder authentisch chinesisch: Shredded Beef mit Spring Onions und Ginger, Broccoli in Oystersauce und feinen Thaireis.
Nachdem sich der nachmittägliche Nebel verzogen hat, können wir am Abend des 26. Septembers eine eindrückliche Mondfinsternis beobachten.
Es ist interessant, mal wieder Stadtluft zu schnuppern (ausser mit der Nase und den Ohren), aber nach zwei Tagen haben wir genug gesehen. Wir geben das Mietauto zurück, lassen die neuen Reifen montieren und fahren südwärts.
Paso Robles
In San Luis Obispo treffen wir uns wie vorher abgemacht mit Ruedi, einem Freund aus der Schweiz. Er und seine Freundin Daniela sind bei seinen Verwandten zu Besuch. Sie wohnen in Paso Robles an einem Stausee. Wir lernen Ruedis ältere Schwester Jacky mit Ehemann Tony kennen. Sohn Tony junior und Ehefrau Chantal sowie ihre drei Kinder wohnen ebenfalls dort. Wir sind bei ihnen zu einem grossartigen Enchillada-Essen eingeladen. Am nächsten Tag gehen wir mit dem Powerboat auf den Lake Nacimiento. Albi lässt sich zum Wasserskifahren überreden und geniesst seine erste Fahrt nach sieben Jahren.
Nach zwei Tagen verabschieden wir uns vorübergehend von Ruedi und seiner Verwandtschaft. Wir wollen uns am 11. Oktober, das heisst in neun Tagen, in Los Angeles wieder treffen. Die ganze Sippe will dort das Disneyland und den Rest der Familie besuchen.
Abstecher nach Arizona
Seit ein paar Tagen funktioniert unser Kühlschrank nicht mehr richtig. Bei Gasbetrieb läuft er entweder auf voller Leistung oder er stellt gleich ab, sobald er die Kühltemperatur erreicht hat. Die Gasflamme hat zwei Stufen: grosse Flamme zum Runterkühlen, kleine Flamme, um die Kühltemperatur zu halten. Wir vermuten, dass eine Leitung für die kleine Flamme verstopft ist. Albi beginnt zu arbeiten, und bereits hinter der erster Schraube, die er löst, kommt die Düse für die kleine Flamme zum Vorschein. Er reinigt sie mit Druckluft, schraubt sie wieder ein, prüft die Anlage auf Dichtigkeit, und schon läuft der Kühlschrank wieder normal.
Zusammen mit den Wochenendausflüglern durchfahren wir die schönen San Bernardino Mountains und landen wieder in der Wüste. In Yucca Valley ist es so heiss, dass wir nur ganz kurz Mittag essen gehen, damit Prinz im Floh nicht schmilzt. Dafür ist es abends angenehm kühl.
Auch heute dreht sich eigentlich alles um die Hitze. Bei 39° im Schatten ist es so brütend heiss, dass wir kaum essen mögen, und auch Prinz hebt beim Boxenstopp nur kurz sein Bein und kommt gleich wieder zurück an den Schatten. So sind wir den ganzen Tag unterwegs, denn auch ohne Klimaanlage im Auto ist es während der Fahrt am kühlsten. Abends können wir kaum duschen: Das Wasser (wohlgemerkt das Kaltwasser) ist fast zu heiss dazu. Wir machen’s trotzdem und trocknen uns nicht ab. So gibt es dennoch eine Erfrischung. Nachts sitzen wir noch lange draussen und geniessen es, dass das Thermometer ein paar wenige Grad gefallen ist.
Nach einer schlecht geschlafenen Nacht fahren wir in die Höhe und besuchen auch noch den South Rim des Grand Canyon. Hier auf 2000 m Höhe fühlen wir uns gleich viel unternehmungslustiger. Wir machen ein paar Spaziergänge und geniessen die frische Luft. In Phoenix, der bevorzugten Alterssiedlung der USA, ist es wieder über 40 ° C. Albi geht in einem eisgekühlten Computerladen shoppen, während Prinz und ich im Auto beinahe schmelzen. Nachdem er total erfrischt und unterkühlt zum Auto zurück kommt, ist es natürlich sehr wichtig, dass wir gleich in die Höhe fahren, damit Albi ohne zu schwitzen seine neue Bandstation einrichten kann. Dazu müssen wir 80 km von der geplanten Route wegfahren. Aber dafür ist es im dunklen Tannenwald wirklich schön kühl. Am nächsten Morgen fahren wir die 80 km wieder zurück.
In Twentynine Palms (wir haben aber mehr gezählt) füllen wir unsere Vorräte und verziehen uns dann in den Joshua Tree National Park. Dieser Park gefällt uns sehr gut, obschon – oder vielleicht auch gerade weil er recht unspektakulär ist. Er erstreckt sich über eine schöne Hügellandschaft, die mit Kakteen bewachsen ist. Überall stehen die Joshua Trees, eine Art Yucca Baum. In gewissen Gebieten sind sie klein und kümmerlich, und anderswo werden sie stattliche 5-6 m hoch mit entsprechend dicken Stämmen. Wir geniessen die Ruhe und Spaziergänge in der unberührten Natur und die kühlen Wüstennächte. Sogar eine Klapperschlange bekommen wir kurz zu Gesicht.
Los Angeles – wir kommen!
Als wir uns im Mittagssmog dieser Riesenstadt nähern, kehren wir beinahe wieder um. Das einzige, das uns davon abhält, ist das Rendezvous mit Ruedi und seiner Sippe heute Abend. So quartieren wir uns nach einigem Herumfahren auf einem RV Park in Anaheim – neben dem Disneyland – ein. Wir besorgen uns wieder einen Mietwagen und fahren damit im dichten Stossverkehr zu Damons Restaurant, wo wir abgemacht haben. Nach Ruedis Verwandten aus Paso Robles lernen wir nun die andere Schwester, Isi, und die Mutter der beiden kennen. Das Essen ist ausgezeichnet, es gibt wieder mal Steak. Anschliessend fahren wir alle noch zu Trudi (der Mutter). Da Prinz den Floh auf dem Campingplatz bewacht, kriegt er heute sein Abendessen sehr spät.
Am nächsten Tag fahren wir wieder zu Trudi, wo Tony und Albi mit ihren Laptops herumspielen. Dann wird es Zeit, eine Stadtrundfahrt zu machen. Albi und ich – Prinz ist heute auch dabei – fahren etwas in der Gegend rum und besichtigen Beverly Hills. In Venice Beach finden wir per Zufall ein Singapore Restaurant und essen wunderbare Laksa und Chicken Rice. Bevor wir zu Isi fahren, reicht es gerade noch, eine Stunde auf dem RV Park auszuspannen. Auch heute wird es wieder sehr spät, aber wir haben vorgesorgt und Prinz gleich mitgenommen.
Am Sonntag kommt dann die grosse Kinderüberraschung: Wir gehen alle ins Disneyland. Natürlich hat es überall lange Warteschlangen, aber wir geniessen es trotzdem. Am Nachmittag gehen wir zum Auto zurück, um eine Stunde mit Prinz zu verbringen (und uns zu verschnaufen). Nach dem Abendessen gehen wir mit Tony und Family auf die Kiddy Rides. Die Mädchen sind ganz begeistert, dass wir mit ihnen mitgehen. Nach ausgiebiger Verabschiedung schleppen wir uns mit wunden Füssen ins Bett.
Wir schreiben einen Fax an die Agentur der Mineral Shipping Lines, um für nächsten Mai eine Schiffspassage nach Europa zu buchen. Es gibt ein Frachtschiff, die MS Patty, wo das Fahrzeug per Kran auf Deck geladen werden kann. Aber das Beste daran ist, dass sie ein paar Passagiere mitnehmen. So könnten wir zusammen mit dem Wohnmobil über den Atlantik reisen. Auf der Schweizer Botschaft lassen wir unsere Pässe verlängern und fahren zum Mittagessen noch mal ins Singapore Restaurant. Am Nachmittag verbringt Albi zwei Stunden im Business Center des Disneyland Hotels (unser Campingplatz gehört auch zum Disneyland) und lädt eine Unmenge Upgrades zu Windows 95 aus dem Internet runter.
Am Donnerstag fahren wir nach Pasadena aufs Shipping Office, wo wir für $500 Anzahlung eine Buchungsbestätigung für die Überfahrt im Mai kriegen.
Ich habe mir eine Erkältung geholt, die eindeutig auf eine Woche schlechte Grossstadt-Luft zurückzuführen ist. Wir verlassen Los Angeles und machen auf dem Weg nach Mexico erneut im Joshua Tree National Park Halt. Die Campingplätze sind fast leer, was uns nicht erstaunt. In der Grossstadt haben wir es nicht bemerkt, aber mittlerweile ist der Herbst eingebrochen, und es weht ein eiskalter Wind, der uns auch tagsüber ins Wohnmobil flüchten lässt. Es ist der 20. Oktober und somit Zeit, in den Süden zu ziehen.
Baja California
Se habla español
In Calexico (man beachte den Namen, der aus California und Mexico abgeleitet ist) besorgen wir uns eine Haftpflichtversicherung für Mexiko und gehen dann in die nahegelegenen Sanddünen zum Gratiscampen. Am Morgen melden wir uns auf dem mexikanischen Konsulat. Die Konsularbeamtin ist sehr nett und gibt uns sofort eine Aufenthaltserlaubnis für ein halbes Jahr. Für das Fahrzeug müssen wir an der Grenze ein paar Papiere ausfüllen, und der Zoll klebt uns ein Hologramm an die Windschutzscheibe. Unsere paar Brocken spanisch verrichten dabei Wunder. Wir werden dafür gelobt, dass wir uns Mühe geben und wir unsere Italienischkenntnisse in „spanisch“ umwandeln. Für uns ist es selbstverständlich, dass wir versuchen, mit den Leuten in ihrer Sprache zu reden. Für den US-Amerikaner dagegen scheint das Gesetz „jeder spricht englisch“ zu gelten. Das ist mit ein Grund, dass die Gringos nicht sonderlich beliebt sind in ihrem Nachbarland. Wir hingegen werden immer herzlich begrüsst, und auch an den vielen Strassensperren, die das Militär auf der ganzen Baja hat, werden wir immer, ohne dass sie auch nur einen Blick in den Pass oder das Auto werfen, freundlich durchgewunken. Ganz anders ergeht es den Amerikanern.
In Mexicali, der mexikanischen Seite der Grenzstadt, fühlt man sich wie in der dritten Welt. Es herrscht Dreck und Chaos, und bei jedem Rotlicht wollen hundert Leute unsere Windschutzscheibe waschen. Wir finden uns sofort zurecht, und es gefällt uns. Nach dem zivilisierten Amerika tut es gut, wenn alles wieder lebhafter und damit auch interessanter wird.
Die Strände der Bahia Conceptión
Durch eintönige, karge Berglandschaft fahren wir nach Ensenada an der Pazifikküste. Wir suchen ein schönes Plätzchen am Meer, finden jedoch nichts. Erst südlich von San Quintin landen wir endlich auf einem Platz am Strand. Dort lernen wir Andreas und Wiebke mit Kinder Annika und Johanna aus Deutschland kennen. Sie sind mit einem Mietbomber (einem riesigen Mietwohnmobil) unterwegs.
Um der Kälte zu entfliehen, fahren wir weiter gegen Süden. Jetzt wird die Landschaft abwechslungsreicher. Es hat schöne Felsformationen und viele verschiedene Kakteen. In der Nähe von Mulegé erreichen wir die Bahia Conceptión, wo wir uns an der Playa El Burro niederlassen. Kaum sind wir dort, fährt der Mietbomber der deutschen Familie vor. Zusammen mit ihnen geniessen wir Strandferien, zuerst am „Eselstrand“, später an der schönen Playa El Requeson. Es ist so warm, dass man baden und nachts draussen sitzen kann und stundenlang über Gott und die Welt und vor allem darüber, wo genau der Mond aufgehen wird, diskutieren kann.
Wo sind die Sandbleche?
Wir beschliessen, gemeinsam zurück gegen Norden zu fahren und dabei die ungeteerte Route über San Felipe zu nehmen. So müssen wir nicht wieder dieselbe Strecke hochfahren. Beim letzten Tanken in Guerrero Negro gehen laut Tanksäule 63 Liter Diesel in den noch gar nicht leeren Tank. Soviel konnten wir bisher nur einfüllen, wenn wir mit dem letzten Tropfen an die Tankstelle gerollt kamen. Offenbar haben sie hier einen „Gringo-Switch“. Wir sind nicht sehr erfreut, können aber nichts machen: Wie sollen wir auch beweisen, dass nicht 63 Liter in unseren Tank geflossen sind?
Unser erstes Nachtlager machen wir in den Dünen abseits der Hauptstrasse. Die Männer beschliessen, ein Lagerfeuer zu machen. Dazu schleppen wir ganze umgestürzte und ausgetrocknete Sträucher heran.
Am nächsten Tag verlassen wir die Strasse und zweigen auf die Piste nach San Felipe ab. Bereits zu Beginn hat es starkes Wellblech, und wir kommen nur mühsam voran. Auch diese Nacht ist geprägt von einem riesigen Lagerfeuer. Das Holz liegt so einladend um uns herum, dass wir nicht widerstehen können, immer wieder ein Stück aufs Feuer zu legen.
Am Morgen fahren wir schon mal voraus. Da die Piste sehr schlecht ist, hat sich neben der eigentlichen Piste eine zweite Spur gebildet, wo man statt auf Wellblech auf Sand fährt. Das ist zwar sehr bequem, weil es nicht so holpert und man dadurch schneller fahren kann, hat aber den Nachteil, dass man die Weichsandstellen mit unverminderter Geschwindigkeit durchfahren muss. Mit unserem zweiradgetriebenen Wohnmobil sind wir nicht in der Lage, an solchen Stellen anzuhalten und dann wieder loszukommen. Aber gerade bei einer weichen Sandpartie ist Albi gezwungen, ein paar grossen Steinen auszuweichen und dadurch etwas Geschwindigkeit und vor allem die richtige Spur zu verlieren und somit den Floh in den Sand zu stecken. Unser Wohnmobil hat den Motor und somit das Gewicht vorne, aber Hinterradantrieb. Die Chance hier rauszufahren ist so schlecht, dass Albi gleich den Klappspaten hervorholt und anfängt zu schaufeln. Wir haben Hoffnung, den Floh auszubuddeln, bevor Wiebke und Andreas uns einholen. Beim ersten Versuch kommen wir einen Meter weiter. Beim zweiten Versuch nochmals. Beim dritten Versuch haben wir keine Chance mehr, denn jetzt geht es den Bruchteil eines Promilles bergauf. Die Deutschen treffen ein, und wir lachen uns alle halb tot. Sie sind auf der Wellblechpiste gefahren und haben sich durchrütteln lassen, dafür stecken sie jetzt nicht fest.
Nach weiterem gemeinsamen Schaufeln, versuchen wir den Floh rückwärts aus dem Sand zu ziehen. Da Andreas den Mietbomber zur Sicherheit auf der Hauptpiste lassen will, brauchen wir etwa fünf Meter Seil. Wir verlängern unser 5-Tonnen-Abschleppseil mit Spannriemen aus Polyester, die wie erwartet beim ersten Versuch auch gleich reissen. Wir schaufeln noch ein wenig mehr, legen Holz unter die Räder, usw. Dann essen wir was zu Mittag und hoffen, dass bald ein Pick-up vorbeikommt, der uns herausziehen kann. In den letzten zwei Stunden hatte es null Verkehr. Es vergeht eine weitere halbe Stunde – nichts. Also schaufeln wir noch ein bisschen und merken, dass es ausser Muskelkater nichts bringt. Andreas fährt schliesslich mit dem Bomber voraus, bis er eine gute Stelle findet, wo er das riesige Wohnmobil rückwärts auf die Nebenpiste fahren kann. Dann fährt er zurück zu uns und zieht den Floh problemlos vorwärts aus dem Sandkasten. Kaum sind wir wieder auf der Hauptpiste, kommt uns natürlich ein freundlich winkender Ford F250 4×4 entgegen. Ab jetzt bleibt Albi auf der normalen Piste.
Für die nächsten 30 km bis ans Meer benötigen wir mehr als zwei Stunden. Am nächsten Tag wird die Piste noch schlechter. Über 20 km/h geht gar nichts mehr. Da der Bomber vorne etwas Luft verliert, fahren wir sozusagen als Pannenhilfe hinterher. Cruise America, die Mietwagenfirma aus Los Angeles, hat ihnen (und allen anderen Mietern) absichtlich kein Werkzeug mitgegeben. Ein Reserverad ist zwar da, aber Wagenheber oder Radschlüssel fehlen. So müssten sie laut Vertrag im Falle eines Falles die Notnummer von Cruise America anrufen oder zum Radwechsel eine Werkstatt aufsuchen. Der Grund für das fehlende Werkzeug ist ebenso einleuchtend wie traurig: Wenn ein Kunde sich beim Radwechsel verletzen würde, könnte er die Mietfirma verklagen. Bei den Entschädigungen in Millionenhöhe, die in den USA öfters zugesprochen werden, kann sich das keine Firma leisten.
Kurz vor Mittag des vierten Tages erreichen wir endlich Puertocitos, ein schäbiger Ferienslum für amerikanische Aussteiger am Ende der geteerten Strasse. Für uns ist es der Anfang des Teerbandes. Leider müssen wir dieses mit der Rallye Baja 2000 teilen. Zwar kommt uns nur noch ein einziges Fahrzeug entgegen, aber das schleudert uns mit seinen Mikey Thompsons einen Stein in die Windschutzscheibe, wo seine Spuren fortan nicht mehr zu übersehen sind.
Nördlich von San Felipe finden wir einen sehr schönen Campingplatz direkt am Meer, wo wir noch drei Tage mit unseren neuen Freunden verbringen. Wir backen Quesadillas über dem Feuer, machen Strandwanderungen und setzen uns nachts ans Lagerfeuer. Dann ist es Zeit, dass sich Wiebke, Andreas, Annika und Johanna auf den Heimweg machen, und wir verabschieden uns nach 14 gemeinsamen Tagen voneinander.
Auch wir machen uns auf die Weiterfahrt nach Mexico-Proper. An einem einsamen Übernachtungsplatz gehen wir über die Bücher, bzw. über die Reisebücher und stellen fest, dass wir nur über die Grenze fahren müssen, um den amerikanischen Staat New Mexico zu besuchen. Später wäre es ein grosser Umweg, um wieder in dieses Gebiet zu kommen. Also ändern wir unsere Pläne und reisen erneut in die USA ein.
Land of Enchantment
Die amerikanischen Zöllner sind diesmal nicht daran interessiert, unser Fahrzeug auseinander zu nehmen, dafür müssen wir unsere mexikanischen Früchte abgeben. Auf den Mittag erreichen wir das Taco Bell von Lordsburg, wo wir uns nach tagelanger Selbstverpflegung auf das TexMex Essen stürzen. In Silver City gibt es mal wieder eine ausgiebige Dusche, saubere Wäsche für die Kleider und fürs Auto, einen Friseurbesuch für uns beide, einen Telefonanschluss, um die Mails zu empfangen und ein ausgezeichnetes Steak zwischen die Zähne.
Auf dem Weg nach Santa Fe fahren wir durch schöne Wälder, wo es sogar ein wenig Schnee hat. Prinz gefällt es, mal wieder auf feuchtem Boden herumzurennen.
Die Hauptstadt von New Mexico ist ein kleiner Provinzort im Vergleich zu den anderen Städten der USA. Aber sie hat Kultur: Überall hat es Künstler und Galerien, fast alle Gebäude sind im Adobe-Stil gebaut, und das Essen ist super. Wir geniessen zwei Tage in dieser so gar nicht amerikanischen Stadt. Dann fahren wir auf Nebenstrassen nach Alamogordo, wo wir das White Sands National Monument besuchen. Prinz darf für einmal fast ganz legal (abgesehen vom Leinenzwang) mit uns auf den Dünen herumklettern. Da es hier im Gegensatz zu unserem Campingplatz keine Dornen am Boden hat, gefällt es ihm natürlich gleich doppelt. Das White Sands National Monument ist ein Teil des riesigen Bombentestgeländes der Luftwaffenbasis. So weit das Auge reicht, hat es weissen Sand aus Kalk. Wenn man den Sand befeuchtet, kann man den Kalk auflösen. Die grossen Dünen konnten sich nur bilden, weil es hier äusserst trocken ist.
Zurück in der Stadt, empfiehlt uns der Campingplatzchef ein kleines, in einer Hintergasse verstecktes Restaurant. Heute ist Freitag, der einzige Tag, an dem es abends geöffnet ist. Wir bekommen den letzten der sechs Tische und bestellen die ausgezeichneten und mit viel Liebe zubereiteten Spezialitäten des Hauses. Das Essen ist so gut, dass wir sogar die mit heiligen Sprüchen übersäten Wänden ertragen können. Unser Tisch geht beinahe in Flammen auf, weil Albi seine Papierserviette zu nahe an die Kerze legt.
Nachdem wir nun auch New Mexico, das sogenannte Land of Enchantment, besucht haben, fahren wir am 24. November 1996 bei El Paso wieder über die Grenze nach Mexico.
Mexico
Auf dem Weg an die Pazifikküste
Der mexikanische Zoll will mit uns nur ein paar freundliche Worte wechseln, die Papiere haben wir ja bereits bei der früheren Einreise erledigt und sind unbeschränkt für ein halbes Jahr gültig. Ein solches System sollte man einmal in gewissen afrikanischen oder asiatischen Ländern einführen!
Von Ciudad Juarez fahren wir über Chihuahua und Durango an die Pazifikküste. Unterwegs nächtigen wir entweder an einem Truckstop, in einer Kiesgrube oder einmal sogar bei einer Satellitenstation. Auf der Suche nach einem ruhigen und einsamen Plätzchen fahren wir in den Bergen eine schlechte Piste, die mit Microonda bezeichnet ist, hoch. Eigentlich wollen wir unseren Floh neben der Strasse in den Wald stellen. Wir finden keinen geeigneten Platz und landen bei den riesigen Satellitenschüsseln, die sich als Radarstation für die zivile Flugüberwachung von Mazatlàn herausstellen. Hier wohnen drei Techniker und ein Angestellter, die uns einladen, bei ihnen zu übernachten. An ihrem einsamen Arbeitsort haben sie nicht oft Gesellschaft, und sie geniessen es ebenso wie wir, bis spät abends zu plaudern. Entweder in ihrem einfachen Englisch oder in unserem noch einfacheren „Spanisch“.
Südlich von Mazatlàn erreichen wir in Teacapàn die Küste. Dort stellen wir uns an einen wunderschönen Strand und wollen den warmen Abend geniessen. Leider werden wir von „No-See-Ems“ angegriffen. Von der Baja her wissen wir, dass diese winzigen Fliegen stechen, ohne dass man etwas spürt. Zwei Tage später jucken die Stiche aber so grässlich, dass man sie am besten aufkratzt. Die Moskitonetze an den Fenstern haben zwar den kleinsten indischen Mücken standgehalten, aber gegen die „No-See-Ems“ (so genannt, weil man sie kaum sieht) haben sie kein Chance. Wir schalten unseren 12V Moskitoschreck ein und fahren am nächsten Tag gleich weiter.
Sayulita – so schön wie sein Name
Ein paar Fahrstunden weiter südlich erreichen wir Sayulita. In diesem schönen Dorf wollen wir ein paar Tage Halt machen. Es hat einen schönen Strand, ein Café, in dem es neben den guten Bagels und Muffins auch noch einen Büchertausch gibt. Das Abendessen nehmen wir jeweils im ausgezeichneten Mediterranean Restaurant ein. Das Essen ist zwar für mexikanische Verhältnisse sehr teuer, aber jeden Peso wert. Sogar aus dem benachbarten Touristenort Puerto Vallarta kommen die Leute hierher zum Essen. Wir geniessen es, endlich wieder draussen an der Wärme sitzen zu können, auch bis spät abends, da wir hier von lästigen Insekten verschont werden.
Die Weiterfahrt über Puerto Vallarta, Melaque, Playa Azul, Pie de la Cuesto bis nach Acapulco führt uns an der Küste entlang. Auf langen Streckenabschnitten fahren wir durch sehr einsames Gebiet mit den schönsten Buchten, die man sich vorstellen kann. Nur ist es meistens für unseren Floh unmöglich, von der Strasse dorthin zu gelangen. Ausserdem wird in den Reiseführern in dieser Gegend eindringlich vor Überfällen gewarnt. Und überhaupt gefällt es uns besser, wenn es noch ein Dorf in der Nähe hat, damit wir auswärts essen gehen können. Ab und zu selber kochen ist kein Problem, aber wenn möglich, setzen wir uns lieber in ein Restaurant.
Acapulco
Acapulco ist einer dieser Orte, von denen man gewisse Vorstellungen hat. Wir dachten, es sei eine vollgestopfte lärmige Stadt mit einem schönen Strand, vielen Leuten und horrenden Preisen. Es stellt sich heraus, dass diese Beschreibung zutrifft. Wir haben Glück und bekommen für eine Nacht den letzten Platz auf einem RV-Park. Die Plätze sind sehr eng, und alles ist zubetoniert. Dadurch kommt kein Lüftchen durch, und es ist extrem heiss. Dafür hat jeder ein eigenes WC/Duschen-Häuschen, und der Platz ist nur durch eine Häuserzeile und einer Strasse vom Strand entfernt. Wir binden Prinz im Schatten neben dem Auto an und besichtigen den Strand von Acapulco. Dazu setzen wir uns in ein schattiges Café, bestellen ein eiskaltes Getränk und bewundern die vielen jungen und schönen Leute, denen es hier nur ums sehen und vor allem gesehen werden geht. Sowohl Albi wie auch ich kommen voll auf unsere Kosten. Wenn sie es schaffen, schlank zu bleiben, sind die Mexikaner sehr schöne Leute.
Nach einer durchschwitzten Nacht kehren wir Acapulco den Rücken zu. Aber wohl etwas zu schnell: Auf einer mit 50 km/h beschilderten Strasse fahren wir etwas schneller als erlaubt Richtung Süden. Alle anderen Verkehrsteilnehmer flitzen an uns vorbei, so dass wir uns ziemlich blöd vorkommen. Bis uns plötzlich ein Polizist auf einem Motorrad nachfährt und uns zu verstehen gibt, wir sollen anhalten. Gesagt, getan. Natürlich spricht er kein Wort englisch. Auf spanisch verlangt er Albi’s Führerschein. Als er ihn zwischen den Fingern hält, erklärt er uns, dass er uns leider eine Busse geben müsse, weil wir viel zu schnell gefahren seien. Wir stellen uns ziemlich dumm und versuchen ihm klar zu machen, dass wir nie schneller als 50 km/h gefahren seien. Es nützt natürlich auch nichts, dass wir ihm auf englisch erklären, dass wir die einzigen sind, die sich an die Geschwindigkeitsvorschriften gehalten haben. Er will von uns Gringos einfach Geld! Darauf sage ich zu Albi: „Wenn der so weitermacht und uns den Führerschein nicht zurückgeben will, fahren wir zu der Tourist Police.“ Der Polizist versteht mein Schweizerdeutsch natürlich nicht, aber das „Tourist Police“, das scheint ihm doch einen gewissen Eindruck zu machen, denn er gibt uns mit der Ermahnung, in Zukunft nicht mehr so schnell zu fahren, den Ausweis zurück. Später erfahren wir von einem Mexikaner, dass die Polizisten von Acapulco auf diese Weise ihr Gehalt aufbessern. Voller Hochachtung gratuliert er uns zu diesem Erfolg, denn normalerweise komme man nicht um eine noch so ungerechtfertigte Busse herum.
Siesta in der Hängematte
Unser nächstes Ziel ist Puerto Escondido, wo wir einen über einer kleinen Bucht gelegenen Campingplatz finden. Es ist ruhig hier, und der riesige Platz ist beinahe leer. Wir verbringen mehr als eine Woche an diesem schönen Ort. An einem Tag klettern wir zum Strand runter, am nächsten gehen wir einkaufen, dann gibt es die Wäsche zu waschen oder den Gastank zu füllen. Und vor allem müssen wir unsere neue Hängematte richtig einliegen. Für $ 50 haben wir eine riesige Hängematte, eine sogenannte „matrimonial“ gekauft. Sogar Prinz hat noch locker mit Platz. Irgendwie ist es ihm nicht geheuer, wenn wir uns hineinsetzen, und unsere Füsse den Boden verlassen. Da muss er natürlich auch mit hinein. Es dauert ein Weilchen, bis wir uns alle in einer bequemen Position befinden, aber dann können wir lange in der warmen Luft dösen.
Wir lernen Evelyne und Moe mit Tochter Nicole kennen. Sie wohnen in Victoria, Kanada und machen einen ausgedehnten Mexiko-Urlaub. Auf dem Nummernschild ihres VW-Busses steht „Beautiful British Columbia“, so dass wir sie die „BBC-ler“ nennen.
Weihnachten in Oaxaca
Oaxaca liegt in den Bergen und ist Indiogebiet. Hier sind die Mexikaner mit spanischer Abstammung eindeutig in der Minderheit. Das Zentrum einer jeden Stadt ist der Zócalo (auch Plaza genannt). In Oaxaca hat es in der Mitte dieses Platzes einen kleinen Park mit gemütlichen Bänken, und am Rand laden unzählige Cafés zum Verweilen ein. Am 23. Dezember findet dort das Festival de las Rábanas statt. Dabei werden aus roten Rüben geschnitzte Kunstwerke gezeigt. Um diese genau betrachten zu können, müsste man mehr als eine Stunde anstehen. Wir machen es, wie viele andere auch: Wir schauen den meist kleinwüchsigen Indios über die Schultern.
Wir verbringen viel Zeit mit den ebenfalls hier anwesenden BBC-lern. Vor allem die vierjährige Nicole kommt viel zu uns rüber und fragt uns: „Can I talk to you?“ Auf diese höfliche Frage kann man gar nicht mit Nein antworten. Nicole macht auf uns den Eindruck eines viel älteren Kindes, und es ist auch für uns interessant, mit ihr zu reden. Nur wenn sie mit Prinz an der Leine durch den Campingplatz läuft, dann sieht sie aus wie eine Vierjährige. Stolz hält sie die Leine in der Hand und vergewissert sich, dass ja alle sehen, wie gut sie unseren brav Fuss laufenden Hund im Griff hat.
Den Weihnachtstag verbringen wir auf dem Campingplatz. Die Stadt ist nach dem Rübenfest wie ausgestorben und die meisten Geschäfte und Restaurants sind geschlossen.
Jahreswechsel in Chiapas
Auf schlechten Strassen kämpfen wir uns hinter kriechenden Lastwagen und stinkenden Bussen weiter die Berge hoch. Über Tuxtla Guiterrez erreichen wir San Cristóbal de las Casas, die Hauptstadt von Chiapas. Vor drei Jahren hat es hier von den Zapatisten einen grossen Indioaufstand gegeben, der vom Militär brutal niedergeschlagen worden ist. Wir merken von dem nichts. Die Ortschaft ist ruhig, die Leute (praktisch alles Indios) sind freundlich, und es hat noch ein paar andere Touristen hier, unter ihnen natürlich auch wieder die BBC-ler, die am gleichen Tag wie wir hier eintreffen.
Auf dem Rancho San Nicolas, einem Campingplatz 30 Minuten vom Ort entfernt, quartieren wir uns zwischen den Bäumen ein. Es ist angenehm frisch auf dieser Höhe, was wir vor allem nachts merken. Wie die Murmeltiere schlafen wir zehn Stunden und mehr und fühlen uns unternehmungslustig wie schon lange nicht mehr. Weil es so kühl ist, lassen wir den Floh stehen und laufen die drei Kilometer nach San Cristóbal zum essen oder einkaufen.
Das neue Jahr können wir erst am Morgen begrüssen, weil wir es wieder einmal nicht geschafft haben, bis Mitternacht aufzubleiben.
Im Land der Mayas
Wir verabschieden uns von den BBC-lern und fahren ins tropische Yucatan. In Palenque besichtigen wir frühmorgens unsere erste Maya-Stätte. Die Ruinen sind mitten im Dschungel, und im Dämmerlicht sieht es aus, als wolle sich die Vegetation die Bauwerke erneut einverleiben. In der feuchten Hitze klettern wir Pyramiden hoch, in Grabstätten hinein und das alles in unseren viel zu warmen Jeans.
Wir sind von den Überresten dieser Kultur sehr beeindruckt, speziell nach einem halben Jahr USA und Kanada, wo ein hundertjähriges Bauwerk als historisch bezeichnet wird. Als gegen Mittag die Touristenbusse auffahren, haben wir genug gesehen und fahren weiter.
Bei Tulum haben wir die Karibikküste erreicht, und wir suchen einen Ort, um Urlaub zu machen. (Schliesslich geht halb Europa und dreiviertel der USA in die Karibik in die Ferien.) In Chemuyl hat es einen wunderbaren Campingplatz am Meer. Die Anlage ist sehr gepflegt mit Bäumen und Rasen, und es gibt sogar ein Restaurant. Unser einziges Problem ist das Schild „No Dogs“. Wir lassen das Fahrzeug draussen stehen und laufen zu Fuss etwas umher. Dabei entdecken wir gleich bei zwei Wohnmobilen einen Hund. Daraufhin machen wir uns auf die Suche nach der Besitzerin. Wir erklären ihr, dass wir einen sehr gut erzogenen Schweizer Hund mit dabei haben und versichern ihr, dass er wirklich keine Probleme mache und wir mit ihm ausserhalb des Platzes Gassi gehen werden. Sie lässt sich erweichen. Sicher schadet es auch nicht, dass wir uns die Mühe nehmen, spanisch mit ihr zu sprechen. Wir stellen uns in den Schatten der mächtigen Bäume und nehmen als erstes die Hängematte hervor.
Wir lernen hier noch andere Reisende kennen, beispielsweise Jörg und Elke aus Deutschland oder ein ebenfalls deutsches Ehepaar, das mit einem etwa 400’000 Fr. teuren Actionmobil auf Weltreise ist. Ihr Schosshündchen trägt ein Diamantenhalsband (vielleicht sind es auch nur Brillianten). Es ist aber unterhaltsam, mit ihnen zu diskutieren.
Nach einer Woche faulenzen, drängt es uns, weiter zu fahren, zumal plötzlich graue Wolken auftauchen. Bei den Ruinen von Chichén Itzá machen wir einen kurzen Halt und fahren dann weiter nach Santa Elena, in der Nähe von Uxmal. Auf einem kleinen Campingplatz lassen wir uns von einer Französin kulinarisch verwöhnen, und das zum Preis von Fr. 12 für Abendessen, Übernachtung und Frühstück für zwei Personen. Am nächsten Tag besichtigen wir die Ruinen von Uxmal. Es ist eine grosse und sehr eindrückliche Anlage, und der Abstieg von der Pyramide hat etwas mit Bergsteigen zu tun.
Auf der Weiterfahrt kommt uns ein Nissan Patrol mit Schwyzer Nummernschildern entgegen. Wir halten kurz an und lernen Nicole und Georg kennen. Nachdem wir mehr als eine Stunde neben der Strasse stehen und langsam Hunger bekommen, gehen wir alle zusammen auf den Campingplatz und verplaudern den Rest des Tages. Am nächsten Tag wollten wir eigentlich weiter fahren, aber da wir noch nicht einmal die Adressen ausgetauscht haben, bleiben wir gleich noch einen Tag hier und geniessen die Zeit mit Gleichgesinnten.
Es ist jetzt der 17. Januar, und wir machen uns auf den Rückweg in die Vereinigten Staaten. Die Länder südlich von Mexico, könnten wir mit unserem Wohnmobil nur auf den Hauptstrassen bereisen, und es bliebe uns auch kaum genügend Zeit dazu. So fahren wir nun dem Golf von Mexico entlang nordwärts. Das Wetter schlägt um, wir erleben die nächsten paar Tage nur in grau. Unsere bevorzugten Übernachtungsplätze sind die Pemex-Stationen, die Tankstellen der staatlichen Erdölgesellschaft. Hier hat es immer ein Restaurant und Toiletten, und wir stellen uns einfach neben die vielen Lastwagen, die nachts ebenfalls nicht fahren.
USA – Die Südstaaten
Don’t mess with Texas
Wir merken, dass wir gegen die Grenze kommen: Die Landschaft wird öde, die alten Autos fahren fast alle mit texanischen Nummernschildern herum, die Leute sind dicker und unfreundlicher. In Matamoros, dem heruntergekommenen Grenzort, finden wir nichts zu essen, so dass wir mit leerem Magen in die USA einreisen. Auch diesmal sind die Grenzer sehr freundlich und korrekt. Das Auto wird in unserer Gegenwart durchsucht und von einem Drogenhund beschnüffelt.
In Harlingen gehen wir aufs Tourist Information Office und erhalten Material über Texas: Informationsbroschüren, Karten und einen Kleber mit der Aufschrift „Don’t mess with Texas“. Dieser klebt auf jedem zweiten Fahrzeug. Wir werden uns hüten, uns mit Texas anzulegen, aber neugierig sind wir natürlich schon auf diesen ungezähmten Staat.
San Antonio wird für die nächsten Tage unser Quartier. Der Floh kriegt endlich sein Öl gewechselt, wir schreiben Faxe, waschen die Wäsche mal wieder mit der Maschine und erkundigen uns auf dem Schifffahrtsbüro wegen der gebuchten Überfahrt. Sie teilen uns mit, dass unser Schiff, die MS Patty, wegen Verspätung wohl eher im Juni als im Mai ablegen wird. So melden wir uns für die frühere Überfahrt an. Dort ist zwar die Doppelkabine bereits vergeben, aber zwei verbundene Einzelkabinen nehmen wir auch in Kauf. Wir sind froh, sind bei den sieben Passagierplätzen überhaupt noch zwei frei.
Albi schraubt ein bisschen am Wohnmobil rum. Seit Mexiko macht eine Einspritzdüse einen solchen Krach, dass sie wohl nicht mehr zu retten ist. Wie gewohnt gibt es für unseren Floh keine Ersatzteile. Dafür kaufen wir ein starkes Dieselzusatzmittel und hoffen, dass es damit etwas besser wird.
Mit klopfender Einspritzdüse kommen wir bis etwa 20 km zur Stadt raus, dann hört der Lärm abrupt auf – leider funktioniert ab sofort die Servolenkung nicht mehr! Wir halten an, demontieren den Sitz, damit wir zum Motor kommen und holen den zerfetzten Keilriemen heraus. Jetzt wissen wir, weshalb wir nicht feststellen konnten, welche Düse kaputt ist – es war der Keilriemen, der geklopft hat. Mit steinharter Lenkung fahren wir in die Stadt zurück und lassen in einer Werkstatt den Keilriemen ersetzen. Wir haben einen Ersatz mit dabei, können aber die Reparatur nicht selber vornehmen, weil wir dazu den Unterbodenschutz entfernen müssen, und das geht nur, wenn der Wagen hochgehoben wird.
Über Fredericksburg fahren wir nach Austin, der Hauptstadt von Texas. Dort nehmen wir ein Motelzimmer mit Telefonanschluss, damit Albi aufs Internet kann. Er sitzt zehn Stunden (mit Unterbruch fürs Abendessen) am Laptop und lädt allerlei Zeugs runter. Weil wir uns nicht gewohnt sind, in fremden Betten zu schlafen, sind wir am nächsten Morgen ganz K.O.
New Orleans
Louisiana begrüsst uns mit schlechten Strassen aber freundlichen Menschen. Wir befinden uns jetzt in der Plantagen Region. Überall stehen prächtige Antebellum Häuser zwischen den mit Moos behangenen Bäumen. Gegen ein paar Dollar Entgeld werden wir durch eines dieser Häuser geführt, und wir werden über das frühere Leben auf einer Plantage aufgeklärt.
Zwischen Baton Rouge und New Orleans fahren wir durch ein riesiges Sumpfgebiet. Auf den letzten 30 km vor New Orleans ist die Strasse auf Stelzen gebaut. Dort angekommen, sind wir froh, einen freien Platz auf dem Campingplatz zu finden. Aber nur für zwei Tage, nachher ist alles ausgebucht. Nächste Woche ist Mardi Gras (Karneval), und da wird die Stadt aus allen Nähten platzen.
Wir lassen den Floh auf dem Campingplatz und gehen mit Bus und Strassenbahn in die Stadt. Zuerst setzen wir uns im French Quarter in das berühmte Café du Monde und bestellen Café au Lait mit Beignets. Danach laufen wir stundenlang durch das Quartier, wo an jeder Strassenecke ein Musiker in ein Saxophon bläst.
Nach soviel Stadt geniessen wir die Ruhe im Gulf Shore National Park.
Welcome to the Sunshine State
Was wir in den ersten Tagen von Florida sehen, macht uns nicht „gluschtig“ auf mehr. An der Golfküste ist alles zugebaut. Und wenn es zwischen zwei Ferienhäusern noch ein paar Sanddünen hat, stehen dort Schilder, man solle sich von den Dünen fernhalten, damit die Vegetation und die Tierwelt nicht gestört wird. Nebendran wird gerade eine weitere Düne mit dem Bagger flachgemacht, damit der nächste Hotelkasten einen schönen grünen Rasen um das Gebäude anlegen kann.
Aber vor allem das Wetter setzt uns zu: Es ist nass, kalt und grau – dabei steht auf den Nummernschilder „Sunshine State“. Und all die Amerikaner, die in Florida überwintern, halten sich in einer anderen Ecke des States versteckt. Hier ist alles leer und etwas heruntergekommen. Dafür sehen wir einen tollen Aufkleber an einem Auto: „A gruffy German is a Sauer Kraut!“
Im Everglades National Park regnet es immer noch. Irgendwoher muss ja das viele Wasser kommen, das sich hier in einem 80 km breiten Fluss im Schneckentempo dem Meer nähert. Immer wieder hört man von den Everglades Sümpfen, dabei kann man zuschauen, wie dieser riesige Fluss in Bewegung ist. Bei einer Führung sehen wir sehr viele Vögel und unzählige Alligatoren. Einer dieser ‚Gators ruht sich am Rand des Fussweges aus und lässt sich von den Touristen nicht stören. Natürlich machen alle einen gebührend grossen Bogen um dieses mächtige Exemplar mit dem gefährlich wirkendem Schwanz.
Inselhüpfen
Zu Florida gehören selbstverständlich auch die Palmen, das türkisfarbige Meer und das tropische Klima. Zwischen Key Largo und Key West reiht sich eine kleine Insel an die andere. Und eine ist einladender als die andere. Wegen dem Hundeverbot in den staatlichen Campingplätzen, müssen wir einen privaten Platz aufzusuchen. Dafür bezahlen wir die Rekordsumme von $40. Eigentlich müssten sie uns umsonst beherbergen, denn dank uns sinkt das Durchschnittsalter markant ab. Südflorida ist das winterliche Altersheim der USA, was wir sehr gut verstehen, als wir uns abends nach einem Spaziergang und einem Bad im Swimmingpool an die laue Luft setzen. In den meisten anderen Landesteilen ist es jetzt, Mitte Februar, tiefster Winter.
Die 100 km lange Strasse nach Key West besteht mehrheitlich aus Brücken, und die kleinen Inseln dienen vielfach nur als Fundament für die Brückenpfeiler. Dafür sind wir schon bald in Key West, einer fröhlichen und farbigen Ortschaft mit vielen Touristen und Künstlern. Entsprechend hat es überall gemütliche Cafés – man fühlt sich wie am Mittelmeer.
Auf der Rückfahrt halten wir an einem der wenigen Campingplätze, wo Hunde erlaubt sind. Für eine Nacht müssen wir sage und schreibe $50 hinblättern. Da es auf den ganzen Keys verboten ist, wild zu campieren, bleibt uns nichts anderes übrig, als diese hoffentlich teuerste Übernachtungsmöglichkeit unserer ganzen Reise anzunehmen. Dafür profitieren wir auch von dieser wirklich sehr schönen Anlage. Nach unserem Abendspaziergang können wir uns sogar in ein Jaccuzzi setzen!
Cape Canaveral
Wieder auf dem Festland fahren wir mehr als einen Tag lang durch das landwirtschaftliche Anbaugebiet von Florida. Vor allem Zitrusfrüchte aber auch anderes Obst und Gemüse werden hier angebaut. Leider müssen wir die meiste Zeit mit geschlossenen Fenstern fahren, weil wir den grässlichen Düngemittel- und/oder Pestizidgestank sonst nicht aushalten. Wir sind froh, hat es in der Schweiz verhältnismässig strenge Umweltvorschriften. Im Vergleich zu den Schweizer Seen, wo man wieder ohne Bedenken baden kann, sieht der riesige Okeechobee See aus wie eine grosse Kloake.
Der Spaceport USA, besser bekannt unter dem Namen Cape Canaveral, steht natürlich auch auf unserem Besuchsprogramm. Mit Bussen werden wir durch die riesige Anlage geführt, und im Apollo Center erfahren wir alles, was wir über die Weltraumerforschung wissen wollen. Als wir am Nachmittag wieder auf dem Campingplatz sind, hören wir einen Knall. Sie haben einen Satelliten mittels Rakete in die Erdumlaufbahn gestartet.
Der Osten
Die Küste hoch
Kaum verlassen wir Florida, ist von Touristen nichts mehr zu sehen, kein Wunder in dieser Jahreszeit. Soweit möglich, fahren wir dem Meer entlang, über Savannah, Charleston, wo wir den alten Flugzeugträger USS Yorktown und ein U-Boot besichtigen nach Myrtle Beach, einem Badeort, wie er in Spanien stehen könnte.
Cape Hatteras ist eine Inselgruppe, die dem Festland vorgelagert ist. Mit einer Fähre setzen wir über und fahren die einsamen Dünenketten hoch. Ausser ein paar Sportfischer hat sich niemand hierher gewagt. Weil uns ein orkanartiger Wind um die Ohren bläst, steigen wir kaum aus und machen, dass wir vorwärts kommen.
Wieder im Landesinnern schauen wir uns Williamsburg an. Das war die erste grössere Siedlung der Engländer. Das Städtchen ist im alten Stil wieder aufgebaut worden, und die Leute, die hier arbeiten, tragen sogar die Kleider der frühen Siedler. Es ist sehr informativ, durch die Strassen zu laufen und sich vorzustellen, wie es früher einmal war. Das ganze sieht zwar etwas kitschig aus, ist aber doch ungemein gut gemacht mit vielen handwerklichen Vorführungen, wo einem alles erklärt wird.
Bei Norfolk überqueren wir die Chesapeake Bay, die dort etwa 35 km breit ist. Die meiste Zeit fahren wir hoch auf einer Brücke, aber irgendwo auf halber Strecke senkt sich die Strasse plötzlich und führt uns in einem Tunnel unter dem Meeresboden weiter. Nach ein paar Kilometern erreichen wir wieder das Tageslicht und fahren auf einer Brücke weiter. Auf diese Weise können auch die grössten Schiffe, Öltanker oder Flugzeugträger problemlos in die wichtige Chesapeake Bay einfahren.
Washington D.C.
Um die Hauptstadt der USA zu besuchen, ist ein Wochenende ideal. Da sind die Strassen nicht so überfüllt, dafür ist das Zentrum wie ausgestorben. Schon der Weg in die Stadt ist ziemlich abenteuerlich: Auf der Washington Parkway steht „No Trucks“ – deshalb hat es bei den Brücken über der Autobahn keine Höhenangaben. Wir ziehen jedesmal den Kopf ein (der Floh ist 3 Meter hoch), obschon uns das Auge sagt, dass es reicht. Die Strasse ist in einem jämmerlichen Zustand, so dass man eigentlich ein Geländefahrzeug brauchen würde, um in dieser Stadt, die laut Bumpersticker „Island of Lunatics Surrounded by Reality“ genannt wird, gefahrlos zu fahren.
Wir schauen uns die Gebäude vom Auto aus an. Auch wenn wir einen Parkplatz finden würden, wäre es uns zu gefährlich, den Floh hier unbeaufsichtigt stehen zu lassen. Es hat sehr viele zwielichtige Gestalten, die herumlungern. So fahren wir durch die Strassen und sehen dabei das Capitol, die Bibliothek, das Gerichtsgebäude und die vielen Denkmäler durch die Autoscheibe. Nur als wir in der Nähe des Weissen Hauses etwas langsam fahren, um das Gebäude zu fotografieren, werden wir zur sofortigen Weiterfahrt aufgefordert.
The Amish
Nachdem wir dem Schlachtfeld von Gettysburg (1863) einen Besuch abgestattet haben, fahren wir durch die fruchtbare hügelige Landschaft von Pennsylvania. Hier leben viele sogenannte „Amish People“. Diese, nach ihrem Führer Jakob Ammann benannten Leute leben noch immer wie zu früheren Zeiten. Ihre Farmen betreiben sie ohne Strom, das Wasser wird mit Windmühlen aus dem Boden gepumpt, Motoren kennen sie keine, so dass sie entweder mit einem Pferdebuggy, einem Trottinett oder zu Fuss unterwegs sind. Für die Feldarbeit werden die Pferde vor den Pflug gespannt, einmal sehen wir acht Tiere vorgespannt. Die Leute sehen in ihren selbstgemachten Kleidern und Strohhüten mittelalterlich aus, aber irgendwie scheint ihre Art zu leben, auch in der heutigen Zeit noch möglich zu sein. Auf jeden Fall haben wir bisher noch nie so gut unterhaltene Farmen gesehen wie zwischen den sanften Hügeln von Pennsylvania. Natürlich sind die Amish in der Minderheit, und der Rest der Bevölkerung ist modern wie anderswo, aber uns scheint, als wären die Leute hier noch freundlicher als sonst.
Zu Besuch in Philadelphia
Wir gehen in Philadelphia einen Freund besuchen. Urs war ein Arbeitskollege von Albi, den es in die USA verschlagen hat. Seine Adresse in einem Vorort haben wir, nur wissen wir nicht, wo sich dieser Derry Drive befinden soll. Wir haben mit Urs abgemacht, erreichen ihn telefonisch aber nicht. Er scheint sich noch auf dem Heimweg von der Arbeit zu befinden.
Nachdem wir mehr als eine Stunde durch die Gegend gefahren sind, und es langsam dunkel wird, fahren wir am Dublin Way vorbei. Albi meint, dass der Derry Drive nicht weit sein könne, schliesslich ist Derry auch eine irische Stadt, und wirklich, nach ein paar Minuten stehen wir bei Urs vor der Türe. Er ist mittlerweile von der Arbeit zurück und freut sich, uns zu sehen.
Die nächsten beiden Tage (und Nächte) werden wir von ihm herumgeführt, wobei der Höhepunkt eindeutig das Jim’s Steakhouse mit seinen feinen Philly Steaks ist. Auch in dieser Stadt kommt man am bestem mit einem Geländefahrzeug durch die Strassen. Urs hat das erkannt und sich einen Jeep Cherokee angeschafft.
Blue Ridge Parkway
Obschon es bereits Ende März ist, zwingt uns das Winterwetter zur Umkehr. Es ist uns einfach zu kalt, um weiter in den Norden zu fahren. Als wir in Lancaster gar noch eingeschneit werden, wissen wir, dass wir eine gute Entscheidung getroffen haben.
Die nächsten zwei Wochen verbringen wir am Rand der Appalachian Mountains. Zuerst fahren wir durch den Shenandoah National Park, dann cruisen wir gemütlich auf der Blue Ridge Parkway. Das ist eine Strasse, die zu rein touristischen Zwecken gebaut wurde. Es hat ein Lastwagenverbot, die Höchstgeschwindigkeit beträgt 45 mph, und es hat weder Hotels noch Restaurants entlang der Strecke. Dazu muss man die Parkway verlassen. Man fährt durch wunderschöne Landschaft mit toller Aussicht auf die vom Licht blau gefärbten Berge. Wir ziehen von einem einsamen Nationalparkcampingplatz zum nächsten und gehen zwischendurch in einer Stadt essen und einkaufen. Im Sommer wird diese Gegend sicher überlaufen sein, aber jetzt haben wir die Blue Ridge beinahe für uns alleine. Es ist vielleicht nicht ganz so spektakulär wie die Parks in Utah und Arizona, aber uns gefällt es hier eigentlich ebenso gut wie im viel beliebteren Westen. Wir besuchen Ortschaften und Nationalparks mit Namen wie Cherokee, Great Smoky Mountains und Chattanooga.
Weil wir gerade in der Gegend sind, statten wir Nashville einen Besuch ab. Zuerst füllen wir uns im „Santa Fé Cantina and Cattlemens Club“ die Mägen, dann setzen wir uns in eine Music Hall und lauschen den Klängen einer Country Band.
Nach soviel Stadt fahren wir wieder aufs Land, genauer nach Lynchburg, einem kleinen Nest in Tennessee. Hier steht die berühmte Jack Daniels Distillerie. Wie beinahe alles in den USA, kann man auch diese Fabrik besichtigen. Die Führung durch diesen eigentlich sehr kleinen Betrieb ist interessant. Wir erfahren, dass der fertige Whisky durch Holzkohle tropft (ganz, ganz langsam) und dadurch seinen rauchigen Geschmack erhält. Die Holzkohle stellen sie hier selber her und zwar aus ausgewähltem Ahornholz. Dadurch und dank dem guten Wasser gibt es den laut Werbung „unvergleichlichen Jack Daniels Geschmack“. Wir bekommen keinen Probetropfen angeboten (schliesslich ist jeder Besucher mit dem Auto hier), aber die Dämpfe dürfen wir einatmen. Wenn dann alles noch ein paar Jahre in Eichenfässern gelagert wird, gibt es sicher etwas Feines daraus. Da wir aber mit Whisky nichts anfangen können, verzichten wir auf einen Einkaufsbummel im Städtchen Lynchburg, wo einem in jedem Laden dasselbe Produkt angeboten wird.
Die Umgebung von Atlanta
Mittlerweile ist es Mitte April, und die Tage werden spürbar wärmer, speziell hier im Süden. Wir suchen uns schöne Plätze an den vielen Stauseen und geniessen den Frühling. Prinz kann auf den fast leeren Plätzen nach Lust und Laune herumtoben und baden, und wir lassen uns durch die Sonne aufwärmen, spielen oder arbeiten am Laptop oder lesen ein Buch.
Weil wir bis zur Abfahrt des Schiffes noch einen Monat Zeit haben, wollen wir noch einen Abstecher nach Denver in Colorado machen. Auf halbem Weg dorthin, rufen wir mal wieder das Schifffahrtsbüro an, um uns über den genauen Abfahrtstermin zu erkundigen. Die MS Patty sei jetzt auf dem Trockendock, und man habe Mängel festgestellt, die repariert werden müssen. Das werde noch eine Weile dauern, so dass wir frühestens Mitte, eher Ende Juni in See stechen können.
Wir überschlafen diese neue Situation eine Nacht und beschliessen, die Überfahrt zu annullieren, und den Floh erneut auf einer Ro-Ro-Fähre nach Hause zu schiffen. So müssen wir ins Flugzeug steigen und verzichten dabei auf eine gemütliche Überfahrt per Schiff. Aber wir möchten nicht erst Ende Sommer in die Schweiz zurückkehren.
Nachdem wir diesen Entschluss gefasst haben, möchten wir eigentlich lieber heute als morgen zurückkehren. Wir befinden uns in Joplin, Missouri, was ziemlich im Zentrum der USA liegt. So ist es uns eigentlich egal, von welchem Hafen aus wir unseren Floh zurückschiffen. Natürlich lieber von der Ostküste, da dauert die Überfahrt weniger lange. Auch der Rückflug wäre natürlich kürzer. Nach ein paar Telefongesprächen haben wir die Sache erledigt: Am 30. April, in genau einer Woche also, können wir unser Wohnmobil im Hafen von Jacksonville, Florida, einschiffen.
Die Vorbereitungen
Wir machen uns sofort auf den Rückweg an die Ostküste und sind nach fünf Tagen in Jacksonville, im Norden von Florida. Auf dem überschwemmten aber trotzdem schönen und gemütlichen KOA Campground errichten wir unser Hauptquartier und machen uns an die Arbeit.
Auf der Schiffsagentur erfahren wir, dass wir das Auto erst in vier Tagen abgeben müssen. So bleibt uns noch genügend Zeit, alles zu organisieren. Zuerst beschaffen wir auf einer Bank das Geld für die Frachtkosten und liefern es ab. Danach kaufen wir eine Transportbox für Prinz. Damit wir die richtige Grösse kaufen, nehmen wir unseren Vierbeiner gleich mit in den Laden. Später auf dem Campingplatz machen wir ihn mit seiner neuen Kiste vertraut. Er bekommt sein Essen drin serviert, und später klettere ich sogar hinein, um ihm zu zeigen, dass es bequem ist.
Wir kümmern uns um den Rückflug. Auf dem Reisebüro jagen sie uns einen Schrecken ein. Wegen dem Ferienbeginn sind die Flüge Atlanta-Zürich vom 5. Mai an für mehr als zehn Tage völlig ausgebucht. Wegen Prinz sind wir auf einen Direktflug angewiesen, und schon überlegen wir, ob wir etwa von Orlando oder gar New York abfliegen müssen. Mittlerweile hat die Angestellte auf dem Computer rumgesucht und für den 4. Mai noch zwei Plätze gefunden. Ohne auch nur eine Minute zu überlegen oder nach dem genauen Preis zu fragen, buchen wir die Plätze, bevor sie uns vor der Nase weggeschnappt werden.
Nun räumen wir noch den Floh halb aus und verstauen die wichtigen oder wertvollen Sachen in vier grosse Plastikkisten. Für den Flug über den Atlantik gelten fürs Fluggepäck andere Gewichtslimiten als sonstwo. Pro Person sind zwei Gepäckstücke mit je 34 kg erlaubt. So können wir den Floh fast leer räumen. Nur sperrige Sachen und Zeugs wie Geschirr, Bettzeug, Stühle usw. lassen wir im Auto. In den Kisten hat es soviel Platz, dass sogar der gesamte Werkzeug auf dem Flugweg reist. Für die Packerei müssen wir eine Waage kaufen, damit wir ja nicht zu schwer packen.
Das einzige was jetzt noch fehlt, ist ein Mietauto, das uns nach Atlanta bringen wird. Weil wir soviel Gepäck haben, möchten wir einen Van oder ein grosses Geländefahrzeug mieten, aber über die Staatsgrenze hinweg will uns niemand ein solches Fahrzeug vermieten. Dafür hat Avis ein Sonderangebot, um die vielen Mietwagen von Florida wieder in den Norden zu bringen. Für $6 pro Tag bieten sie uns einen Pontiac GrandAm an. Nachdem wir uns am Telefon noch einmal versichern, dass es auch wirklich ein viertüriges Modell ist, machen wir uns auf den Weg zum Flughafen von Jacksonville, um den Wagen dort abzuholen. Ich soll dann den Wagen zurück auf den Campingplatz fahren.
Am Avis Schalter erledigen wir die Papiere und bekommen den Schlüssel in die Hände gedrückt. Bei den parkierten Mietautos angelangt, suchen wir unseren GrandAm – vergebens! Die Nummer, die auf dem Schlüssel steht, ist dieselbe, wie die an einem riesigen Cadillac Deville. Wir schauen den Vertrag genauer an, und entdecken dort, dass Avis unser Flehen nach einem grossen Fahrzeug wohl erhört hat, und uns wirklich so ein Schiff für $6 vermietet. Natürlich ist es ein viertüriges Modell, und genügend Platz ist auf den weissen Lederfauteuils und im Kofferraum auch vorhanden, kein Wunder, denn der Cadillac ist sogar noch länger als unser 5 Meter langer Floh! Albi ist ganz neidisch, dass ich diesen Prunkschlitten auf den Campingplatz fahren darf. Er meint später, dass ich schon etwas verloren ausgesehen habe, so alleine in diesem grossen Fahrzeug.
Abreise
Albi am Steuer des leeren Flohs und ich dahinter im Cadillac – so fahren wir am 2. Mai an den Hafen. In kurzer Zeit haben wir die Papiere erledigt und unser Wohnmobil abgegeben.
Wir fahren gleich weiter Richtung Atlanta. Irgendwo unterwegs übernachten wir in einem Motel, und am nächsten Tag erreichen wir die Metropole. Nach einer Stadtbesichtigung per Auto suchen wir etwas ausserhalb eine Unterkunft. Zum Abendessen setzen wir uns noch einmal in ein Steak House.
Am 4. Mai 1997 ist es dann soweit. Wir laden unseren Prinz in seine Kiste, checken ihn und unser Hab und Gut ein und steigen in die Swissair Maschine nach Zürich.