Nun sind wir gerüstet, um weiter zu fahren und das Landesinnere zu erkunden. Die Gummibaum‑Plantagen sind unsere beliebtesten Übernachtungsplätze. Man steht geschützt zwischen den Baumreihen und lässt sich durch das sanfte Rascheln der Blätter in den Schlaf wiegen. Der einzige Nachteil besteht darin, dass die Bäume morgens sehr früh, noch bei Dunkelheit, angezapft werden. So werden wir manchmal durch das Plaudern der Arbeiter geweckt. Aber kaum sind sie ein paar Bäume weiter, ist es wieder absolut ruhig im Wald.
Auf den Strassen gibt es einige Unterschiede zu Malaysia. Der Offensichtlichste davon ist die Motorisierung. Die Fahrzeuge, und zwar alle vom Mofa bis zum Lastwagen, haben genügend Motorleistung. Entsprechend ist der Verkehr viel schneller als im Nachbarland. Dann gibt es zum Beispiel die Sonderregelung bei der Kreuzung: Zum rechts abbiegen wird rechts geblinkt, zum links abbiegen links, und um die Kreuzung gerade zu überqueren, wird der rechte und linke, sprich der Warnblinker betätigt. Wir überlegen uns nicht gross, wie sinnvoll eine solche Signalisierung ist, sondern passen uns einfach den hier gängigen Gepflogenheiten an.
Kanchanaburi, im Westen des Landes ist eine gemütliche Stadt, die wegen ihrer Brücke berühmt ist. Hier führt die Eisenbahnbrücke über den River Kwai. Nachdem wir uns erkundigt haben, wann ein Zug darüber fährt, stehen wir früh auf, um das Bauwerk zu besichtigen. Zwischen den Gleisen liegen Bretter, auf denen der Zweiradverkehr den Fluss überquert. Als dann der Zug angefahren kommt, bremst er vor der Brücke ab, hupt und wartet, bis die Strecke frei ist. Nachdem Albi seine Eisenbahnbilder geschossen hat, gehen wir frühstücken.
Ausser an Touristenorten findet man in Thailand kein Frühstück im westlichen Sinn. Für die Thais ist das Frühstück einfach ein normales Essen, mit Reis, Suppe, Gemüse, Fisch etc. Wenn man verständlich machen kann, dass man gerne ein Ei möchte, erscheint das Omelette auf einem riesigen Berg weissen Reis. Uns ist das nur recht, wir essen gerne dreimal am Tag den wunderbaren Reis und die feinen Beilagen. Manchmal ist die Auswahl schwierig, wenn wir in einem Restaurant sitzen, die in Thai geschriebene Speisekarte in den Händen halten, und weit und breit niemand ist, der ein Wort Englisch spricht oder versteht. Da lassen wir uns jeweils einfach irgend etwas servieren, oder wir begnügen uns mit einem Fried Rice.
Unser nächstes Ziel ist Sukhothai. Hier befindet sich Old Sukhothai, die alte Hauptstadt des siamesischen Reiches. Wir quartieren uns in einem Guesthouse ein, dass heisst, wir stellen den Landy in den schönen Garten, wo wir im Dachzelt schlafen und benützen wie die anderen Gäste die Infrastruktur des Hauses. Von der ersten Minute an fühlen wir uns hier pudelwohl. Die Familie ist sehr freundlich, und speziell die geistig etwas behinderte erwachsene Tochter kümmert sich mit viel Enthusiasmus um uns. Wir verbringen wunderbare Tage an diesem idyllischen Ort. Zwischen den ausgezeichneten Mahlzeiten besichtigen wir die historischen Gebäude und Statuen von Old Sukhothai. Gerne würden wir noch länger hier bleiben und uns verwöhnen lassen, aber wir wollen noch mehr vom Land sehen.
Deshalb brechen wir nach Chiang Mai auf, der wichtigen Stadt im Norden. Hier sehen wir plötzlich wieder Touristen. Viele Leute gehen hier im sogenannten Goldenen Dreieck trekken oder mieten Motorräder und erkunden so die abgelegenen Gebiete mit den verschiedenen Eingeborenenstämmen. In der Stadt hat es viele zwielichtige Gestalten europäischer Herkunft. Man merkt, dass in der Gegend Opium angebaut wird. Nach einem Tag haben wir genug ausgemergelte Bleichgesichter gesehen, und wir fahren weiter. Auf einsamen Strassen erreichen wir die Grenzstadt Mae Salong. Wir befinden uns hier auf 1175 Meter über Meer. Entsprechend kalt ist es in der Nacht. Wir sind solche Temperaturen nicht mehr gewohnt und liegen warm angezogen in unseren Schlafsäcken.
Die zweite wichtige Stadt im Norden, Chiang Rai, haben wir schnell besichtigt. Weil heute Sonntag ist, läuft gar nichts, also sind wir hier nur auf Durchfahrt. Unser nächstes Ziel ist Nan. Wir nehmen aber nicht die Hauptstrasse, schliesslich wollen wir die meist unberührte Natur durchfahren. Zuerst fahren wir, ohne es zu wissen, durch einen Nationalpark. Erst als wir den Park verlassen, wird es uns bewusst, weil wir durch ein Tor fahren. Hier steht ein Parkwächter, der uns freundlich zuwinkt. Weiter geht’s auf einer Piste, die vor etwas 20 Jahren einmal geteert worden war, aber mittlerweile von der Natur wieder zurückerobert wurde. Nach ein paar Kilometer holt uns ein Motorrad ein. Es ist der Parkwächter von vorher mit einem Beifahrer. Dieser möchte offensichtlich mitgenommen werden. Da wir uns sprachlich nicht verständigen können, funktioniert es mit Händen und Füssen. Weil die Gegend so einsam ist, und wir uns nicht erinnern können, wann wir das letzte Fahrzeug gesehen haben, nehmen wir ihn mit. Schon bald sind wir froh um ihn. Denn die Strasse wird immer schlechter und wir sehen weder Häuser noch Leute. Aber unser Passagier macht uns klar, dass wir irgendwo hin kommen werden. Und nach weiteren Kilometern erreichen wir im Tal ein Dorf. Super, ab jetzt wird die Strasse sicher wieder besser. Wir verabschieden uns von unserem Mitfahrer, der hier aussteigen will. Dann sehen wir uns im Ort etwas um. Was uns sofort auffällt, sind die fehlenden Fahrzeuge. Es hat im ganzen Dorf kein einziges Auto oder Motorrad. Man sieht auf den Wegen auch gar keine Reifenspuren. Die wenigen Bewohner, die wir zu Gesicht bekommen, sind wie überall in Thailand sehr zurückhaltend. Aber die Kinder, die schauen uns an, als hätten sie noch nie westliche Leute gesehen. Wenn wir uns nach ihnen umdrehen, verschwinden sie sofort hinter einen Zaun oder ein Haus. Wir steigen wieder ins Auto und fahren Richtung Zivilisation.
Das erste Hindernis auf diesem Weg kommt kurz nach dem Dorf in Form einer Holzbrücke. Sie steht zwar noch, aber der eine Brückenpfeiler ist so schief, dass die Brücke entsprechend eingesackt ist. Schwere Fahrzeuge werden nicht mehr darüber fahren können. Aber für unseren Landy sollte es auf jeden Fall noch reichen, meint Albi. Ich bin mir nicht so sicher, aber ich bin eine ziemlich ängstliche Natur was Brücken angeht – von Holzbrücken ganz zu schweigen! Wohl um mich ruhig zu stellen, verbannt er mich aus dem Auto. Mit dem Fotoapparat in der Hand stehe ich und schaue zu, wie Albi den Landy über die Brücke fährt. Wohlüberlegt befinde ich mich noch auf der Dorfseite des Flusses, so dass ich im Notfall Hilfe holen könnte. Aber natürlich hält die Brücke. Ich laufe rüber und steige wieder ein.
Nun wird die Strasse derart steil, dass wir zum ersten Mal die Geländeuntersetzung brauchen. Wir haben uns getäuscht, wenn wir gedacht haben, die Strasse würde nun besser. Immer öfters fragen wir uns, wohin dieser Feldweg führt, oder besser, wann er enden wird. Wir kommen immer langsamer voran: Die Höchstgeschwindigkeit beträgt 20 km/h, normal ist 5 – 8 km/h. Dabei führt der Weg immer wieder steil hinauf, um wenig später wieder ebenso steil runter zu kommen. Wir sehen auch absolut keine Anzeichen, dass hier irgendwelche Leute wohnen würden. Es hat weder Häuser noch Felder.
Und dann plötzlich, als wir unsere Hoffnung, die Piste führe irgendwohin schon fast aufgegeben haben, kommt uns in halsbrecherischem Tempo ein Fahrzeug entgegen. Nur weil wir so langsam fahren, können wir eine Frontalkollision vermeiden. Es ist ein 4×4 Pick‑up vollbeladen mit Gepäck und Leuten. Sie sprechen zwar kein Englisch, versichern uns jedoch, dass wir irgendeinmal irgendwo hin kommen. Das reicht uns, um frohgemut weiter zu fahren.
Wieder rauf und runter, bis wir zum nächsten Fluss kommen. Hier stand mal eine Brücke, und auch hier war der Brückenpfeiler in Schieflage geraten. Nun liegt der ganze Holzhaufen im Flussbett. Wir fahren etwas zurück und finden die Spur zum Fluss runter. Zum Glück ist Trockenzeit, und der Fluss führt kein Wasser. Das Tal ist mit einem Geländefahrzeug gut zu durchqueren. Bei Einbruch der Dunkelheit haben wir dann die erste Teerstrasse erreicht. Für die zurückliegenden 35 km haben wir praktisch den ganzen Tag gebraucht. Es war anstrengend aber sehr schön!
Auf dem Weg nach Bangkok kommen wir erneut in Sukhothai vorbei. Natürlich legen wir einen Halt von ein paar Tagen ein und geniessen die angenehme Atmosphäre und das gute Essen. Dann aber erwartet uns die Hauptstadt. Bereits 50 km vor dem Zentrum hat es auf der mehrspurigen Zufahrtsstrasse sehr viel Verkehr.
Das Hotel Royal hat einen eingezäunten und bewachten Parkplatz, also entschliessen wir uns, hier abzusteigen. In der Reception werden wir nach der Reservation gefragt. Albi schwindelt gekonnt vor, wie wir vor ein paar Tagen aus Sukhothai angerufen und ein Zimmer reserviert haben. Offenbar sehen wir in unserer Reisebekleidung nicht so vertrauenserweckend aus. Die Angestellte erwähnt den Zimmerpreis und fragt, wie wir bezahlen möchten. Albi nimmt das Portemonnaie hervor und lässt ihr die Wahl zwischen goldener Visa‑ oder Amexkarte. Daraufhin wird nach unserem Gepäck gefragt. Das befinde sich noch in unserem Auto, sagen wir und fragen sicherheitshalber noch nach, ob der Parkhof auch wirklich bewacht werde. Als die Angestellte dann herausfindet, dass wir mit dem eigenen Auto aus der Schweiz hierher gereist sind, steigen wir sofort enorm in ihrer Achtung. Sie kommandiert einen Portier ab, der unser Gepäck aufs Zimmer bringen soll. Wir übergeben ihm zwei grosse Rakoboxen und nehmen unser Luxuszimmer in Beschlag. Natürlich hätten wir für weniger Geld eine Travellerunterkunft kriegen können, aber dann wäre unser Landy nicht bewacht worden. Und ausserdem ist der Swimming Pool ganz angenehm bei dieser Hitze.
Die Bilder zur Reise 1990-1991 findest du hier: Flickr