Wir beschliessen, gemeinsam zurück gegen Norden zu fahren und dabei die ungeteerte Route über San Felipe zu nehmen. So müssen wir nicht wieder dieselbe Strecke hochfahren. Beim letzten Tanken in Guerrero Negro gehen laut Tanksäule 63 Liter Diesel in den noch gar nicht leeren Tank. Soviel konnten wir bisher nur einfüllen, wenn wir mit dem letzten Tropfen an die Tankstelle gerollt kamen. Offenbar haben sie hier einen „Gringo-Switch“. Wir sind nicht sehr erfreut, können aber nichts machen: Wie sollen wir auch beweisen, dass nicht 63 Liter in unseren Tank geflossen sind?
Unser erstes Nachtlager machen wir in den Dünen abseits der Hauptstrasse. Die Männer beschliessen, ein Lagerfeuer zu machen. Dazu schleppen wir ganze umgestürzte und ausgetrocknete Sträucher heran.
Am nächsten Tag verlassen wir die Strasse und zweigen auf die Piste nach San Felipe ab. Bereits zu Beginn hat es starkes Wellblech, und wir kommen nur mühsam voran. Auch diese Nacht ist geprägt von einem riesigen Lagerfeuer. Das Holz liegt so einladend um uns herum, dass wir nicht widerstehen können, immer wieder ein Stück aufs Feuer zu legen.
Am Morgen fahren wir schon mal voraus. Da die Piste sehr schlecht ist, hat sich neben der eigentlichen Piste eine zweite Spur gebildet, wo man statt auf Wellblech auf Sand fährt. Das ist zwar sehr bequem, weil es nicht so holpert und man dadurch schneller fahren kann, hat aber den Nachteil, dass man die Weichsandstellen mit unverminderter Geschwindigkeit durchfahren muss. Mit unserem zweiradgetriebenen Wohnmobil sind wir nicht in der Lage, an solchen Stellen anzuhalten und dann wieder loszukommen. Aber gerade bei einer weichen Sandpartie ist Albi gezwungen, ein paar grossen Steinen auszuweichen und dadurch etwas Geschwindigkeit und vor allem die richtige Spur zu verlieren und somit den Floh in den Sand zu stecken. Unser Wohnmobil hat den Motor und somit das Gewicht vorne, aber Hinterradantrieb. Die Chance hier rauszufahren ist so schlecht, dass Albi gleich den Klappspaten hervorholt und anfängt zu schaufeln. Wir haben Hoffnung, den Floh auszubuddeln, bevor Wiebke und Andreas uns einholen. Beim ersten Versuch kommen wir einen Meter weiter. Beim zweiten Versuch nochmals. Beim dritten Versuch haben wir keine Chance mehr, denn jetzt geht es den Bruchteil eines Promilles bergauf. Die Deutschen treffen ein, und wir lachen uns alle halb tot. Sie sind auf der Wellblechpiste gefahren und haben sich durchrütteln lassen, dafür stecken sie jetzt nicht fest.
Nach weiterem gemeinsamen Schaufeln, versuchen wir den Floh rückwärts aus dem Sand zu ziehen. Da Andreas den Mietbomber zur Sicherheit auf der Hauptpiste lassen will, brauchen wir etwa fünf Meter Seil. Wir verlängern unser 5-Tonnen-Abschleppseil mit Spannriemen aus Polyester, die wie erwartet beim ersten Versuch auch gleich reissen. Wir schaufeln noch ein wenig mehr, legen Holz unter die Räder, usw. Dann essen wir was zu Mittag und hoffen, dass bald ein Pick-up vorbeikommt, der uns herausziehen kann. In den letzten zwei Stunden hatte es null Verkehr. Es vergeht eine weitere halbe Stunde – nichts. Also schaufeln wir noch ein bisschen und merken, dass es ausser Muskelkater nichts bringt. Andreas fährt schliesslich mit dem Bomber voraus, bis er eine gute Stelle findet, wo er das riesige Wohnmobil rückwärts auf die Nebenpiste fahren kann. Dann fährt er zurück zu uns und zieht den Floh problemlos vorwärts aus dem Sandkasten. Kaum sind wir wieder auf der Hauptpiste, kommt uns natürlich ein freundlich winkender Ford F250 4×4 entgegen. Ab jetzt bleibt Albi auf der normalen Piste.
Für die nächsten 30 km bis ans Meer benötigen wir mehr als zwei Stunden. Am nächsten Tag wird die Piste noch schlechter. Über 20 km/h geht gar nichts mehr. Da der Bomber vorne etwas Luft verliert, fahren wir sozusagen als Pannenhilfe hinterher. Cruise America, die Mietwagenfirma aus Los Angeles, hat ihnen (und allen anderen Mietern) absichtlich kein Werkzeug mitgegeben. Ein Reserverad ist zwar da, aber Wagenheber oder Radschlüssel fehlen. So müssten sie laut Vertrag im Falle eines Falles die Notnummer von Cruise America anrufen oder zum Radwechsel eine Werkstatt aufsuchen. Der Grund für das fehlende Werkzeug ist ebenso einleuchtend wie traurig: Wenn ein Kunde sich beim Radwechsel verletzen würde, könnte er die Mietfirma verklagen. Bei den Entschädigungen in Millionenhöhe, die in den USA öfters zugesprochen werden, kann sich das keine Firma leisten.
Kurz vor Mittag des vierten Tages erreichen wir endlich Puertocitos, ein schäbiger Ferienslum für amerikanische Aussteiger am Ende der geteerten Strasse. Für uns ist es der Anfang des Teerbandes. Leider müssen wir dieses mit der Rallye Baja 2000 teilen. Zwar kommt uns nur noch ein einziges Fahrzeug entgegen, aber das schleudert uns mit seinen Mikey Thompsons einen Stein in die Windschutzscheibe, wo seine Spuren fortan nicht mehr zu übersehen sind.
Nördlich von San Felipe finden wir einen sehr schönen Campingplatz direkt am Meer, wo wir noch drei Tage mit unseren neuen Freunden verbringen. Wir backen Quesadillas über dem Feuer, machen Strandwanderungen und setzen uns nachts ans Lagerfeuer. Dann ist es Zeit, dass sich Wiebke, Andreas, Annika und Johanna auf den Heimweg machen, und wir verabschieden uns nach 14 gemeinsamen Tagen voneinander.
Auch wir machen uns auf die Weiterfahrt nach Mexico-Proper. An einem einsamen Übernachtungsplatz gehen wir über die Bücher, bzw. über die Reisebücher und stellen fest, dass wir nur über die Grenze fahren müssen, um den amerikanischen Staat New Mexico zu besuchen. Später wäre es ein grosser Umweg, um wieder in dieses Gebiet zu kommen. Also ändern wir unsere Pläne und reisen erneut in die USA ein.
Die Bilder zur Nordamerikareise findest du hier: Flickr