Jordanien

An der Grenze zu Jordanien hat es sehr viel Verkehr. Trotzdem dauert es nicht lange, bis wir die Formalitäten erledigt haben. Aber wir merken, wie die Tage kürzer werden, denn es wird bereits dunkel. Wir essen noch etwas und suchen uns dann einen Schlafplatz. Dazu fahren wir in einen Feldweg und stellen uns an den Rand eines abgeernteten Feldes. Weil es immer noch so schön warm ist, setzen wir uns vors Auto und geniessen den Abend.
Plötzlich taucht ein Mann auf. Er spricht zwar kein englisch, macht uns jedoch darauf aufmerksam, dass wir auf seinem Land seien, und dass sich sein Haus nur 100 m von hier befinde. Wir sollen doch bitte zum Tee kommen. Wir erklären ihm, dass wir das Haus nicht gesehen haben, entschuldigen uns für die Störung und erklären ihm, dass wir hier im Auto übernachten möchten. Er besteht darauf, uns zum Tee einzuladen, also folgen wir ihm zu seinem Haus. Das Haus ist noch nicht ganz fertig und deshalb noch nicht am Strom angeschlossen. Weil ihm das Benzin für den Generator ausgegangen ist, haben wir auch kein Licht gesehen. Wir geben ihm etwas Benzin, damit er den Generator anschalten kann. Beim Geruch des Benzins rümpft er die Nase und meint, wir kommen wohl aus Syrien, denn nur dort stinke der Treibstoff so stark.

Im Haus lernen wir dann seine Familie kennen: Seine Mutter, seine Ehefrau, seine Schwester und seine kleine Tochter. Während wir Tee trinken, fragen wir uns gegenseitig aus. Zur Verständigung brauchen wir Hände, Füsse und Gesicht, denn unsere Sprachkenntnisse beschränken sich auf as‑Salaam alaykum und Shukran. Wir können ihnen erklären, dass wir uns auf einer Art langer Hochzeitsreise befinden. Weil wir erst ein Jahr verheiratet seien, hätten wir auch noch keine Kinder. Worauf die Mutter meint: „Inshallah“ das werde sicher noch kommen. Auch wenn wir uns mit Worten verständigen könnten, wäre es unmöglich, ihnen zu erklären, dass es in unserem Land Leute gibt, die freiwillig auf Kinder verzichten. Solche Leute würden hier sicher als Geistesgestörte oder Perverse angesehen. Das Haus besteht aus einer Küche, einem Schlafzimmer, wo das Ehepaar mit der Tochter schläft und dem Wohnzimmer, wo der Rest der Familie die Nacht verbringt. Uns wollen sie unbedingt das Schlafzimmer anbieten. Nur mit Mühe können wir sie überreden, dass wir seit einem Jahr in unserem Dachzelt schlafen und wir dort alles haben, was wir brauchen. Wir müssen das Zelt öffnen, damit sich die Mamma überzeugen kann, dass wir in diesem Ding auf dem Dach wirklich schlafen können. Dazu steigt sie mühsam die Leiter hoch und vergewissert sich.

Nach einer ruhigen Nacht steigen wir die Leiter runter und werden bereits von der Familie erwartet und ins Haus begleitet. Im Schlafzimmer ist wird uns ein Frühstück serviert. Es wäre zwecklos und absolut unhöflich, wenn wir uns gegen die Gastfreundschaft wehren würden. Deshalb nehmen wir das angebotene Fladenbrot und den Streichkäse dankend entgegen. Auf die warme Milch verzichten wir. Erstens, weil wir warme Milch nicht ausstehen können, aber vor allem wegen möglichen Bakterien, die sich häufig in nicht abgekochter Milch befinden. Wir erklären ihnen, dass Milch für unsere Mägen nicht gut sei. Dies verstehen sie, und ein paar Minuten später steht eine Kanne Tee vor uns.

Nach dem Essen plaudern wir noch ein wenig, dann verabschieden wir uns. Wir merken, dass die Familie nichts für ihre Gastfreundschaft erwartet und es im Gegenteil beleidigend wäre, ihnen etwas Materielles zu schenken. So geben wir ihnen nur unseren Dank. Wir werden gebeten, sie in guter Erinnerung zu halten und werden mit Allah’s Segen auf die Weiterreise geschickt. Nur ganz kurz stellen wir uns die gleiche Situation in der Schweiz vor, mit ausländischen Reisenden. Aber wir sind schon so lange unterwegs, so dass wir statt dessen der liebenswerten Familie einen kleinen Platz in unserem Herzen geben.

In Jerash sind die Ausgrabungen der römischen Stadt noch voll im Gang. Wir laufen durch die Gegend und können nur erahnen, was sich mit diesen Steinen alles wieder zusammen setzen lässt. Unser nächstes Ziel ist das Tote Meer, oder die „Died Sea“, wie es auf einem der wenigen in Englisch geschriebenen Wegweiser heisst. Dort wirft es uns beinahe um. Es ist zwar bereits Oktober, aber hier, auf 380 m unter Meeresspiegel ist es enorm heiss mit einer sehr hohen Luftfeuchtigkeit.
Bei einer Art Badeanstalt machen wir Halt. Wir ziehen die Badesachen an und steigen ins Meer. Bei den 30% Salz im Wasser ist es wirklich möglich, liegend die Zeitung zu lesen, ohne dass sie nass wird. Man schwimmt obenauf. Zum Glück, denn das Wasser ist so salzig, dass man sich sofort unter die Dusche stellen muss, falls einem ein paar Tropfen in die Augen gelangen.
Hier begegnen wir seit langem wieder einmal Touristen. Es sind Österreicher, die mit dem VW‑Bus während vier Wochen über Griechenland, die Türkei, Syrien, Jordanien und Ägypten dem östlichen Mittelmeer entlang fahren. Sie sind von Syrien und Jordanien ebenfalls begeistert. Die Landschaft, aber vor allem die Leute haben es ihnen wie auch uns angetan. Und wenn es mit der Verständigung häufig schwierig ist, so sind wir doch immer willkommen und werden mit einer Freundlichkeit aufgenommen, die wir sonst noch nie erlebt haben. Wir fassen den Vorsatz, irgendwann einmal arabisch zu lernen.

Auf der Kings Highway fahren wir durch tiefe Schluchten nach Petra, der touristischen Hauptattraktion von Jordanien. Die ersten Touristen sehen wir aber erst, nachdem wir eine Stunde durch einen schmalen Canyon gelaufen sind. Und plötzlich stehen wir vor dem ersten Gebäude. Es ist in die roten Felsen gehauen und absolut überwältigend. Nachdem wir beinahe den ganzen Tag in den verschiedenen Schluchten unzählige Bauten besichtigt haben, fahren wir in die Wüste zum Übernachten.

Der nächste Höhepunkt ist nicht weit weg: Das Wadi Rum. Man kann dieses Gebiet am besten als einen Wüstenpark beschreiben. Es hat wunderschöne Gesteinsformationen in eindrücklichen Farben und dazwischen ist alles voller Sand. Ein riesiger Spielkasten also. Einen Rastplatz auszuwählen ist äusserst schwierig, denn eine Stelle ist schöner als die andere. Und überall ist man mit der Natur allein und kann die Stille der Wüste geniessen.
Nur einmal, als mir Albi das Sandfahren beibringt, fährt ein Auto vorbei. Wir haben gerade beschlossen, dass es der Landy nicht die Düne hoch schafft, da braust ein Hi‑Lux neben uns den Sandberg hoch, die Kleider und Kopfbedeckungen der zwei einheimischen Männer wehen im offenen Toyota hinter ihnen her. Da kann es Albi nicht lassen. Er setzt sich ans Steuer und schafft es nach ein paar Anläufen die Steigung hoch. Oben angekommen, ist der heisse Sand noch weicher, und wir stecken schnell fest. Nun heisst es an die Arbeit! Was soviel bedeutet wie: Ich nehme die Kamera und schaue zu, wie Albi schaufelt. Schliesslich hat er voller Überzeugung erklärt, dass wir sicher nicht feststecken werden. Da wir bei unserer Saharadurchquerung schon nie schaufeln mussten, macht es ihm sogar Spass, es jetzt mal zu tun.

In Aqaba holen wir auf der ägyptischen Botschaft die nötigen Visa und erkundigen uns nach der Fähre nach Nuweiba. Weil der Landweg über Israel nicht möglich ist, bezahlen wir 135 US$ für die dreistündige Überfahrt. Wir können weder mit Kreditkarten noch in Lokalwährung bezahlen. Auch von Traveller Checks will die ägyptische Fährgesellschaft nichts wissen. Für Ausländer gelte es, die Tickets in Dollar bar zu bezahlen. Zum Glück haben wir genügend dabei. Nur die mittlerweile ebenfalls eingetroffenen Österreicher haben keine amerikanischen Dollars, also helfen wir ihnen mit einem Vorschuss aus.

Die Bilder zur Reise 1990-1991 findest du hier: Flickr

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