Singapur

Am 3. Dezember 1990 setzen wir uns ins Flugzeug der UTA und verlassen Afrika mit zwiespältigen Gefühlen. Einerseits sind wir froh, diesen Kontinent zu verlassen, andererseits fragen wir uns, ob wir uns mehr hätten anstrengen sollen, um das Afrika zu entdecken, wovon viele Leute so begeistert sind. Aber dann denken wir wieder an die dicken Polizisten mit den dunklen Sonnenbrillen, die alle einen Teil von unserem Reisegeld fordern. Wir bereuen es nicht, unsere Afrikareise abgebrochen zu haben. So freuen wir uns jetzt auf den nächsten Abschnitt unserer Reise.

Paris um viertel vor acht in der Métro: Die Leute sind wegen der Kälte in dicke Kleider gehüllt, niemand lacht, keiner spricht uns an, jeder weicht dem Blick des anderen aus, als wäre es verboten, sich anzusehen. Wir lassen uns die gute Laune nicht nehmen und geniessen die drei Tage. Zuerst holen wir Monika vom Bahnhof ab, dann besorgen wir uns Flüge nach Singapore, und den Rest der Zeit verbringen wir in Geschäften und Restaurants, weil es einfach zu kalt ist, um draussen zu sein.
Nachdem wir uns von Monika bereits wieder verabschiedet haben, besteigen wir das Flugzeug, das uns via Bahrain nach Singapore bringt. Der Service der Gulf‑Air ist ausgezeichnet, und wir geniessen den Platz im höchstens zu einem Viertel gefüllten Flugzeug.

Singapore heisst uns mit 30° C und einem fast klinisch sauberen Flughafen willkommen. Wir fahren mit dem Bus in die Stadt und versuchen unser Glück im YMCA. Leider ist diese Jugendherberge, die eigentlich schon fast ein Hotel ist, total ausgebucht. Aber mit einem Rucksack am Rücken läuft man in Singapore nicht weit. Bereits hundert Meter vom YMCA entfernt werden wir angesprochen, ob wir eine Unterkunft suchen. In einem ehemaligen Wohnhaus sind ein paar Stockwerke zu Backpackers Lodges umfunktioniert worden. Pro Wohnung hat es zwei Doppelzimmer, die mit einem Bad verbunden sind, dann hat es noch ein Doppelzimmer ohne Bad, und im Wohnzimmer stehen sechs oder acht Betten – das Dormitory. Weiter hat es eine Küche und noch ein Bad. Wir haben Glück und erhalten zwei Doppelzimmer, eines mit angrenzendem Bad und eines ohne.

In den nächsten sieben Tagen, erkunden wir die Stadt: Wir besichtigen die Vergnügungsinsel Sentosa, die Crocodile Farm, das Science Center und den Botanischen Garten. Wir machen eine Hafenrundfahrt, stürzen uns mit Gusto in die klimatisierte Welt der Shoppingcenter oder setzen uns in irgend einen Bus und fahren einen halben Tag plan- und ziellos auf der Bodensee‑grossen Insel umher.
Auch kulinarisch kommen wir auf unsere Kosten. Neben den gelben M’s und den vielen Restaurants hat es überall die sogenannten Food Stalls, das sind Gebäude, wo sich die ehemaligen kleinen Strassenküchen jetzt befinden. Hier haben sie fliessend Wasser, und sie können vom Staat auf Hygiene überprüft werden. Man läuft von einer kleinen Küche zur anderen und wählt sich aus dem riesigen Angebot etwas aus. Das Bestellte wird einem dann an den mit Nummern versehenen Tisch gebracht. Für zwei, drei Franken bekommt man einen Teller Fried Rice oder eine Prawn Mee Soup oder ein Nasi Lemak oder ein Carrot Cake (eine Art Rösti aus weissen Rüben). So sitzt man dann zusammen an einem Tisch, aber jeder bekommt sein Essen aus einem anderen „Restaurant“. Wir versuchen immer wieder neue Sachen aus, und alles, was wir essen schmeckt ausgezeichnet.

Weil das Schiff mit unseren Autos erst gegen Ende des Monats hier eintreffen wird, packen wir die Rucksäcke und steigen in den Bus nach Malaysia. In Cherating an der Ostküste steigen wir aus. Cherating ist ein kleines Fischerdorf, wo sich in den letzten Jahren ein Ferienort für Rucksackreisende entwickelt hat. Es hat ein paar einfache mit Palmblättern bedeckte Hütten, eine Batikwerkstatt und zwei Restaurants: Ein chinesisches Sea‑Food‑Lokal und ein kleines Traveller‑Café. In Maznah’s Guesthouse finden wir für 4 Franken pro Person eine Unterkunft mit Halbpension. Das Essen ist ausgezeichnet, und man fühlt sich wie in einer grossen Familie.
Zusammen mit ein paar anderen Reisenden verbringen wir die Weihnachtstage im friedlichen Cherating. Wir befinden uns mitten in der Regenzeit, und entsprechend trüb ist das Wetter. So können wir zwar am schönen Strand spazieren gehen, aber zum Baden lädt es uns nicht ein. Wir setzen uns viel auf die Veranda und lesen ein Buch oder plaudern mit den anderen Leuten. Vor dem Abendessen sehen wir uns im Wohnzimmer die Nachrichten im TV an. Das Hauptthema weltweit ist im Moment die irakische Besetzung von Kuwait. Nach dem Essen setzen wir uns wieder in die Sessel und weiter geht’s mit friedlichen Diskussionen über Gott und die Welt. Wir fühlen uns hier so richtig wohl, dass wir kaum noch an das abweisende Westafrika denken. Wir sind froh, dass wir nicht an unseren Reiseplänen festgehalten haben und nach Asien gekommen sind.

Nach vier Tagen Regen scheint endlich mal die Sonne. Wir nutzen die Gelegenheit und fahren mit einem Boot den Fluss hoch. Wegen der hohen Luftfeuchtigkeit kommen wir beim Rudern ganz schön ins Schwitzen. Aber der Ausflug ist sehr schön. Neben der uns unbekannten tropischen Vegetation entdecken wir auch viele Tiere: Insekten, Fische, Vögel und sogar eine Schlange.

Am 26. Dezember 1990 fahren wir mit dem Bus zurück nach Singapore. Wir quartieren uns erneut in der Peonie Mansion ein. Auf dem AA, wo wir unser Carnet de Passages bescheinigen lassen müssen, treffen wir Mandi und Caroline, ein Schweizer Paar, das ebenfalls mit einem Landrover unterwegs ist. Später treffen wir sie vor einem Hotel in der gleichen Strasse, wo wir wohnen. Wir besuchen zusammen den Zoo und haben uns gegenseitig viel zu erzählen. Sie kommen von Indien und wollen nach dem Besuch von Malaysia nach Australien verschiffen. Wir werden uns vielleicht in zwei Wochen in Cherating wieder treffen.
Während Mandi und Caroline ihren Landy packen und nordwärts fahren, verbringen wir noch den Jahreswechsel hier in Singapore. Die berühmte Orchard Road ist für den Verkehr gesperrt. Halb Singapore befindet sich auf der Strasse und feiert fröhlich aber sehr gesittet das Ende des alten Jahres.

Noch bevor wir unsere Landys in Empfang nehmen können, ist es für Urs klar, dass er sein Fahrzeug gleich wieder verschiffen wird und zwar nach Europa. Weil er und Monika (meine Freundin, die uns in Paris besuchte) in der Zwischenzeit mehrmals miteinander telefoniert haben, will er in die Schweiz zurückkehren und schauen, ob aus ihnen beiden ein Paar werden kann. Er lässt es sich von uns nicht ausreden, und so sind wir nur noch drei Reisende mit einem Fahrzeug. Es ist nicht möglich, zu dritt in unserem Landrover zu reisen, dafür fehlt klar den Platz. So kauft sich René einen Rucksack und zieht wie die vielen anderen Backpacker mit dem Bus los.

Am 2. Januar 1991 ist es dann soweit: Der Container ist eingetroffen! Wir gehen in das Hafengelände, fahren die Autos durch den Zoll, und die Reise kann weiter gehen. Wir verabschieden uns von Urs, dem etwas wortkargen Freund, den wir in den letzten drei Monaten lieb gewonnen haben. Wir wünschen ihm alles Gute und gehen nun alleine dem weiteren Abenteuer entgegen.

Die Bilder zur Reise 1990-1991 findest du hier: Flickr

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