Türkei

Die Türkei nimmt es mit der Zollkontrolle nicht so genau, dafür benötige ich fast zwei Stunden, bis ich den Einreisestempel im Pass habe. Das geht hier folgendermassen: Albi kann als Fahrer des Autos seine Immigration gleich zusammen mit den Fahrzeugpapieren erledigen, während ich ins separate Gebäude gehen muss. Dort warte ich dann mit den ausreisewilligen Iranern eine Ewigkeit, bis sich schon nur ein türkischer Beamter zeigt. Offensichtlich hassen sie die Iraner und hätten sie noch weitere Stunden warten lassen, wenn nicht plötzlich eine Europäerin aufgetaucht wäre. Aber noch so geht die ganze Prozedur nur äusserst schleppend. Wie Vieh werden wir von einem vergitterten dunklen Raum zum nächsten geführt: Polizei, Gesundheit, Zoll.
Aber irgendwann ist auch das geschafft, und ich darf mich zum ungeduldig gewordenen Albi in den Landy setzen. Wir freuen uns darauf, in der Türkei ein wenig Ferien zu machen.

Die erste Nacht verbringen wir am wunderschönen Van‑See. Nach einem Frühstück bestehend aus Schafskäse und Brot fahren wir weiter durch das karge Anatolien.
Heute ist der 20. August 1991. Wir treffen seit langem wieder einmal auf den Massentourismus. Im Göreme Tal hat es im Vergleich zu den Urlaubsgebieten am Meer nur wenig europäische Touristen, aber uns kommt es vor, als hätte man halb Europa mit Bussen hierher verfrachtet. Wo wir nur hingehen hören wir Deutsch, Französisch, Englisch und natürlich Schweizerdeutsch. Wir haben ganz vergessen, dass das Schweizerdeutsch aus so vielen verschiedenen Dialekten besteht. Und dann sehen wir überall diese nackten Beine, die auf den erodierten Sandsteinfelsen rumklettern. Natürlich machen wir es den Touristen nach, aber mit langen Hosen, schliesslich ist es bei etwa 30° C nicht so heiss, dass man sich halbnackt zeigen muss. Und sogar wenn es heisser wäre, ist es in weiten leichten Hosen viel angenehmer als in Shorts. Vom Sonnenbrand ganz abgesehen! Am Abend essen wir in einem Restaurant, wo sie eine viersprachige Speisekarte haben.

Wir nähern uns Antalya, was wir sehr gut merken: Der Teepreis hat sich im Vergleich zum Landesinnern verdoppelt. Auf der Hauptpost erkundigen wir uns nach dem Paket, das für uns bereit liegen sollte. Vergeblich! Wir rufen Monika an, die uns beruhigt: Sie habe uns die auf dem Strassenverkehrsamt hinterlegten Nummernschildern vor ein paar Tagen geschickt. Wir wollen es uns in dieser Gegend für einige Zeit gemütlich machen, da stört es nicht, wenn das Paket noch nicht da ist.

In Ölüdeniz, in der Nähe von Fethiye finden wir einen gemütlichen Campingplatz mit viel Schatten. Ganz in der Nähe befindet sich das Meer, viele Restaurants, Bars und genügend Touristen. Zehn Tage lang machen wir nichts anderes als essen, faulenzen, Bücher lesen und unsere Reisepläne erneut ändern. Eigentlich wollten wir langsam über Griechenland und Italien Richtung Schweiz fahren. Nun haben wir einen Kassensturz gemacht und festgestellt, dass unsere Finanzen noch für ein paar weitere Monate reichen werden. Also werden wir über den Nahen Osten nach Ägypten fahren und von dort mit der Fähre nach Griechenland übersetzen.

Nachdem wir wieder zu Kräften gekommen sind, werden wir unternehmenslustig, und wir machen uns auf, ein paar touristische Höhepunkte zu besichtigen. Das wäre zuerst Pamukkale, dieser leuchtend weisse Kalkberg. Als ich vor vier Jahren hier war, stand er majestätisch in der trockenen braunen Landschaft. Nun ist er vom Tourismus vollständig eingenommen worden. Mitten durch den Berg führt eine Strasse, und oben steht ein Hotel neben dem nächsten. Auf den nur zum Teil mit Wasser gefüllten Kalkterrassen krabbeln Touristen. Immer hört man die Motoren der unzähligen Reisebusse. Weil’s recht warm ist, muss die Klimaanlage laufen, damit sich die erhitzten Leute ins Kühle flüchten können. Wir fahren recht schnell wieder vom Berg runter.
In Ephesus hat es, falls überhaupt möglich, noch mehr Touristen. Aber hier stören sie irgendwie viel weniger als in Pamukkale. Die meisten von ihnen sitzen eh irgendwo im spärlichen Schatten, weil es mit gegen 40° C doch ziemlich heiss geworden ist. Ohne Kopfbedeckung und Wasserflasche hält man es nicht lange an der Sonne aus. Wir sind begeistert von diesen römischen Ruinen.

Das Städtchen Kuşadasi gefällt uns sehr gut. Es hat viele Touristen hier, aber dadurch ist es auch belebt. Wir spazieren durch den Ort, gehen gut essen, lassen uns in einem Café nieder oder plaudern mit den unzähligen Teppich‑ und/oder Lederverkäufern, die alle deutsch sprechen.

Nach dieser kleinen Rundreise lassen wir uns wieder in Ölüdeniz nieder. Hier nehmen wir uns den Landy vor. Zuerst nehmen wir die beiden Windschutzscheiben raus und fahren dann so die paar km nach Fethiye. Dort lassen wir den gespaltenen Scheibenrahmen schweissen und kaufen schwarzen Silikon.
Zurück auf dem Campingplatz setzen wir die Scheiben ein und dichten sie ab. Dann werden die Kotschutzflügel abmontiert und ausgebeult. Der rechte hat beim Zusammenstoss mit dem thailändischen Mofafahrer Schaden genommen, und der linke wurde noch in der Schweiz von einem Deutschen, der auf einem Bergsträsschen in Panik geriet, gerammt. Mit der Farbe warten wir, bis wir zurück sind, weil wir in der Schweiz genau wissen, wo wir die richtige Farbe bekommen. Nämlich in der Migros – eine Dose beiger Ofenspray entspricht genau (oder zumindest ziemlich genau) der Farbe unseres Landys. Da die Kotflügel aus Aluminium sind, besteht auch keine Gefahr, dass sich die Farbe in Form von Rost selber ansetzt. Während Albi am Hämmern ist, räume ich das gesamte Fahrzeug leer und putze ausgiebig.
Ab und zu kommt ein Tourist vorbei und wundert sich über uns. Die spinnen die Schweizer! Da fahren sie in die Türkei in die Ferien und räumen dort das Auto aus, um zu putzen und die Kotflügel auszubeulen. Die würden besser, wie normale Leute, am Strand sitzen und sich vergnügen. Manch einer spricht uns auch aufs Fahrzeug an und meint, für die Türkei sei ein Geländefahrzeug genau das Richtige, bei den schlechten Strassen, die zum Teil ja nicht geteert seien.

Nach einer Woche packen wir unsere Sachen zusammen und machen uns auf die Weiterreise. Zuerst nach Antalya auf die Post. Die Nummernschilder sind noch immer nicht angekommen, dafür der Brief mit dem neuen Carnet de Passages und dem ETI‑Schutzbrief vom TCS.

Über Side fahren wir nach Alanya, wo wir die erste Nacht auf einem Campingplatz verbringen, wo wir von den zwei Nachbarhotels die Bingozahlen ins Ohr gebrüllt bekommen. Am Morgen ziehen wir dann auf den weiter entfernten staatlichen Platz in einem Pinienwald um. Hier können wir in Ruhe schlafen, bevor wir uns auf den langen Weg nach Ankara machen.
Die Hauptstadt empfängt uns mit herbstlich kalten Temperaturen. Wir ziehen mal wieder in ein Hotelzimmer. Von der Schweizer Botschaft benötigen wir ein Empfehlungsschreiben, damit wir auf der syrischen Vertretung ein Visum beantragen können. Während wir auf die Visa warten, suchen wir die Stadt nach Bücher ab. Vor allem einen Reiseführer über Ägypten brauchen wir noch. Aber leider werden wir nicht fündig. Dafür haben wir das Visum für Syrien. Jetzt fehlt nur noch das Paket mit den Nummernschildern. Notfalls tun es für die Weiterreise bis Ägypten auch die Falschen, weil wir uns ja nicht im Geltungsbereich der Versicherung befinden, aber spätestens ab Griechenland wäre es uns doch etwas unwohl, so wie jetzt durchs Land zu fahren.

Aber der Umweg über Antalya lohnt sich: Das Paket ist da! Die letzten paar hundert Kilometer in der Türkei sind die unangenehmsten. Um Adana herum befindet sich viele Chemiefabriken und Raffinerien, entsprechend verpestet ist die Luft. Trotz Hitze fahren wir mit verschlossenen Lüftungsklappen. Leider nützt das beim Landrover nicht allzu viel, es dringt auch so noch genügend stinkende Chemie ins Autoinnere.

Die Bilder zur Reise 1990-1991 findest du hier: Flickr

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