Zurück nach Europa

26. März 1996

Nach einer durchgeschlafenen Nacht fühlt er sich viel besser. Die Kopfschmerzen sind offensichtlich psychisch bedingt und rühren von Albis erster Reise durch den Iran her. Auch wenn er das damals Geschehene verarbeitet hat, scheint im Unterbewusstsein doch noch etwas hängen geblieben zu sein.

Jetzt fehlt nur noch ein türkisches Frühstück aus Schafskäse, Brot und Tee, aber dafür müssen wir noch mehr als eine Stunde fahren. Als vor der ersten geöffneten Gaststätte halten, haben wir ein Problem. Wie kommen wir zu Fuss vom Auto ins Restaurant? Mit den offenen Schuhen versinken wir im Schnee, der 20 cm hoch liegt. Wir holen die Gummistiefel, die wir noch nie gebraucht haben heraus und stapfen damit ins schön geheizte Lokal.
Der Schnee ist ebenso schnell weg, wie er gekommen ist, und wir fahren ungehindert westwärts. Nur die Militärkontrollen lockern die Fahrt etwas auf. Wie gewohnt übernachten wir bei einer Tankstelle. Die Heizung kämpft erfolgreich gegen die Minustemperaturen an.

27. März 1996

Am Morgen lockt uns ein Schneefeld zu einem Spaziergang. Prinz tobt im Schnee umher und kann nicht genug davon kriegen. Ganz im Gegensatz zu unserem Floh, der schon bei ganz wenig Schnee auf seinen flachen Sommerreifen rutscht.
Am späten Nachmittag erreichen wir den Touristenort Göreme.

28. März 1996

Eigentlich wollten wir ein paar Ruhetage hier verbringen, aber wie bereits in Quetta spielt das Wetter nicht mit. Es ist einfach zu kalt, um irgend etwas anderes zu machen, als bei laufender Heizung im Wohnmobil zu sitzen. Gerade als wir weiterfahren, fängt’s noch zu regnen an – mehr Überzeugung brauchen wir nicht, um zu beschliessen, dass wir nun direkt ans Meer fahren.
Beim Mittagessen wird der Floh gewaschen. Er ist wieder so weiss wie seit Delhi nicht mehr. Am Nachmittag erreichen wir Mersin an der Küste und trauen unseren Augen kaum. Neben einem gelben M (M wie McDonalds) hat es noch ein orangefarbenes M (M wie Migros). Wir, die wie fast alle anderen Indienreisenden das eine oder andere Mal von einem BigMac mit Pommes frites und einem Milchshake geträumt hatten, lassen den gelben M links liegen und parkieren das Auto auf dem Platz vom orangen M. Wir packen ein Einkaufswagen und kurven mit offenem Mund durch den riesigen Supermarkt. Das Warenangebot entspricht zum Teil demjenigen in der Schweiz, vorallem die Milch und die Schokolade stammen aus dem Land der jodelnden Kühe. Die Zündhölzer jedoch, stellen wir später fest, erfüllen trotz dem Aufdruck ‚Migros‘ nicht die mindesten Anforderungen. Entweder brennen sie nicht, oder sie brechen entzwei oder auch beides. Auch wäre es praktisch, wenn die Zündholzschachtel verleimt wäre, damit nicht bei jedem öffnen alle Hölzchen das Weite suchen.
Aber das sind Kleinigkeiten verglichen mit der Auswahl des Warenangebotes. Wir sind schlichtweg überfordert und nicht fähig, aus diesem riesigen Angebot auszuwählen. So fahren wir einfach durch die blitzsauberen Gänge und füllen unser Wägelchen, hauptsächlich mit Schokolade, Nutella, Güezi und sonstigen Grundnahrungsmittel. Wir bezahlen mit der Kreditkarte und setzen uns doch noch zu einem Shake ins gelbe M. Dort fragen wir uns, wie wohl ein Migros in die Türkei kommt, oder ob es eine gut gemachte Kopie ist. Wir haben später noch mehr Migros-Geschäfte gesehen und zu Hause erfahren, dass das Schweizer Unternehmen wirklich vor ein paar Jahren in die Türkei expandiert hat, aber kurz darauf das Unterfangen wieder aufgegeben hat. Offenbar führt jetzt eine türkische Firma die Migros weiter. Auch wenn wir uns geografisch noch nicht in Europa befinden, haben wir doch heute Asien verlassen.
Neben einem kleinen Fischrestaurant (auch das ein Novum) lassen wir uns von dem Wellenrauschen in den Schlaf wiegen.

29. März – 9. April 1996

Wir machen ein paar Tage Ferien in den schönen Küstenorten am Mittelmeer. Leider hat es noch fast keine Touristen, so dass Campingplätze und leider auch die Restaurants noch geschlossen sind. Aber an einzelnen Orten, wie zum Beispiel in Kas oder auch im hübsch gelegenen Cirali hat es ein wenig Betrieb und einzelne Touristen, so dass wir nicht immer alleine im Restaurant sassen. Aber es ist noch recht kalt, so dass wir auch tagsüber eigentlich immer die Jacke anziehen müssen.

10. April 1996

Ab heute sind wir richtig auf der Heimfahrt und kommen bis Efesus, wo wir ganz in der Nähe der berühmten, bereits auf unserer letzten Reise besichtigten, Ruinen übernachten.

11. April 1996

Nach dem Mittag rechnen wir bereits damit, dass wir noch heute über die Grenze kommen werden. Da haben wir aber ohne den Floh gerechnet. Bei einem Prinzenauslass auf einem alten Stück Strasse gräbt er sich in der schlammigen Erde ein. Nach zweimaligem zähen Wegschaufeln sitzen wir so tief, dass wir alleine nicht mehr herauskommen. Also nehme ich das Abschleppseil hervor, und schon hält ein Minibus, um Hilfe zu leisten. Leider schafft er uns auch nicht hoch. Währenddessen taucht ein Polizeiauto auf. Nachdem klar ist, dass wir einen Lastwagen benötigen, stellt sich der Polizist kurzerhand auf die Strasse, hält den nächsten Lastwagen auf und weist den Fahrer an, uns aus dem SCHLAMMassel zu ziehen. Obwohl von der Polizei dazu beordert, haben wir das Gefühl, dass er uns gerne hilft, unser Wohnmobil flott zu kriegen. Aber auch er muss ganz schön Gas geben, bis es plötzlich ruckt und unser Floh wieder Teer unter den Rädern hat.
Dadurch schlafen wir noch einmal in der Türkei, im Land der sehr hilfsbereiten und gastfreundlichen Leute.

12. April 1996

Bei der Ausreise aus der Türkei will der Beamte nur Eines: Er verlangt, dass wir den Prinz herausnehmen, damit er nachschauen kann, was sich im Bank darunter befindet. Nicht schlecht, aber bei uns gibt es nichts zu entdecken. Wir haben noch nie etwas geschmuggelt.
Die griechischen Grenzbeamten wollen gar nichts sehen und stempeln nicht einmal unsere Pässe ab. Das sollte man einem Inder erzählen: Wir reisen in ein fremdes Land ein und erhalten nicht einmal einen Einreisestempel!
Unterwegs in Griechenland kommt es uns komisch vor: Viele Läden und Restaurant sind geschlossen, dafür überquellen die Friedhöfe. Karfreitag war doch schon, also muss es irgend ein anderer Feiertag sein.

13. April 1996

Nachdem wir auf einem Pass noch durch Schnee gefahren sind, erreichen wir am späten Nachmittag Igoumenitsa und erkundigen uns gleich für eine Überfahrt nach Bari. Offenbar war bei den Griechen gestern doch Karfreitag, denn morgen feiern sie Ostern (die Griechen hinken ja unserem Kalender hinterher), und deshalb fährt diese Nacht keine Fähre. So buchen wir für morgen Abend für Fr. 150 eine Überfahrt auf Deck nach Bari.

14. April 1996

Den verregneten Tag verbringen wir die meiste Zeit im Auto. Um halb sieben stehen wir im Hafen, bereit zum Einschiffen. Zuerst müssen jedoch alle Lastwagen reinfahren, was bis um halb zehn dauert. Unterdessen hat sich ein richtiger Sturm entwickelt.
Endlich können wir ins Schiff. Per Lift kommen wir aufs offene Deck, wo wir dem Regen und Salzwasser ausgesetzt sind. Um halb elf geht es endlich los. Wir versuchen zu schlafen, aber als wir ein paar Stunden später hinter Korfu aufs offene Meer kommen, fängt die grosse Schauklerei an. Auf und ab und gleichzeitig rechts und links. Wir bleiben liegen und versteifen uns, damit wir nicht im Bett hin und her gerollt werden. Dabei hoffen wir, dass es nicht mehr lange dauert.

15. April 1996

Etwa um acht Uhr steht Albi auf, um etwas zu essen, weil bekanntlich ein leerer Magen Übelkeit verursacht. In Anbetracht dessen, dass mir eh schon übel ist, verzichte ich auf ein Frühstück.
Albi geht mit Prinz auf Deck zwischen den Lastwagen spazieren und zeigt ihm die schönen Reifen, aber unser Hund ist zu wohlerzogen, um daran ein Bein zu heben. Albi kommt wieder rein und schnappt sich den Eimer – Frühstück ade! Ich konzentriere mich auf meinen Magen und zwinge ihn, ruhig zu bleiben. Während der weiteren Fahrt konsultiert Albi noch zweimal das Orakel im Eimer.
Um ein Uhr mittags ist es dann endlich soweit. Wir haben in Bari angelegt und können vom Schiff runter. Am ersten grünen Fleck halten wir, damit Prinz literweise Wasser lassen kann. Kein Wunder nach 19 Stunden!
Wir fahren direkt auf die Autobahn, wo wir so schnell vorwärts kommen, dass wir bereits am Abend vor Ancona sind.

16. April 1996

Jetzt kommt wieder der Spruch „was wir eigentlich wollten“: Nämlich gemütlich Italien hochfahren und uns dabei jeden Tag die Mägen vollschlagen. Diesmal scheitert unser Vorhaben nicht am Wetter, sondern daran, dass es uns schlichtweg in die Schweiz zieht. Jetzt, wo wir so nah an zuhause sind, wollen wir doch schnell zurückfahren. Vor allem Albi zieht es zu seinem zu Hause gelassenen Laptop. Er kann es kaum erwarten, das in Indien erstandene Windows 95 zu installieren.
So treffen wir zusammen mit dem Frühling in der Schweiz ein.

Genau genommen sind diese sieben Monate aber nur der erste Teil unserer Reise. Im Juni werden wir, nach einem kurzen Aufenthalt in der Schweiz, das Wohnmobil nach Nordamerika verschiffen, wo dann der zweite Teil der Reise beginnt

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