29. Februar 1996
Wir verabschieden uns von allen und machen uns auf die Weiterreise. Unser nächstes Ziel ist New Delhi, wo wir die Visa für unsere Rückreise beantragen müssen.
Wir fahren den ganzen Tag und erreichen gegen Abend die Höhlen von Ellora, wo wir nach der Besichtigung auch gleich unser Nachtlager vor der hintersten Höhle aufschlagen und hoffen, dass uns niemand wegjagt.
Wir geniessen es, bei Dunkelheit noch ein wenig draussen zu sitzen, Prinz herumschnüffeln zu lassen und die Stille zu spüren. Die letzten drei Wochen waren zwar schön aber eigentlich immer recht hektisch. Wir haben uns so sehr auf die „Grossfamilie“ konzentriert, da haben wir gar nicht so viel vom Land mitbekommen. Auch fanden wir kaum Zeit, auf unsere Tageserlebnisse zurückzublicken und sie zu diskutieren. Wenn man länger als nur ein paar Wochen unterwegs ist, ist es nicht möglich, alle Eindrücke wie ein Schwamm aufzusaugen, um sie dann später zu Hause zu verarbeiten.
1. März 1996
Auch heute ist es wieder ein reiner Fahrtag. Kurz vor Indore kommen wir auf der N.H. 3 in einen kilometer langen Stau. Die Vorstellung, die ganze Nacht inmitten der vielen Lastwagen zu verbringen, veranlasst uns, auf die bereits vor drei Monaten befahrene, miserable Strasse über Mandu auszuweichen. Wie fast immer, haben wir auch diesmal Glück: Die Strasse wurde mittlerweile geflickt, so dass wir auch ohne Geländefahrzeug noch bei Tageslicht in Mandu eintreffen.
2. März 1996
Wir legen einen Ruhetag ein und lassen es uns im gemütlichen Guesthouse gutgehen.
3. März 1996
Gut geruht sind wir bereit, weitere Kilometer unter die Räder zu nehmen. Wir merken nun, dass wir für diesmal genug von Indien gesehen haben und wir die Rückreise antreten möchten. So zieht es uns direkt Richtung Delhi. Irgendwo bei ein paar verlassenen und eingefallenen Häusern verbringen wir die Nacht.
4. März 1996
In Agra, wo wir den Taj Mahal bereits auf der letzten Reise besichtigt haben, merken wir, dass heute wohl Holi ist. Das ist der Tag, wo jederman Farbe oder farbiges Wasser auf alles und jeden schmeisst. Auch unser Floh kriegt etwas davon ab. Weil wir sofort alles wegputzen, kriegen wir das Zeug noch weg.
Eigentlich wollten wir zwischen Agra und Delhi übernachten, aber erstens finden wir keinen Platz, und ausserdem sind wir nicht sehr erpicht darauf, womöglich erneut mit unserem leuchtendweissem Floh die mittlerweile feuchtfröhlichen Farbwerfer anzuziehen. Also werfen wir unser Nachtfahrverbot über Bord und fahren die letzte Strecke bis New Delhi bei Dunkelheit.
5. März 1996
Als erstes fahren wir auf die pakistanische Botschaft. Bereits auf dem Weg dorthin erscheinen uns die fast leeren Strassen als etwas Unnatürliches. Bei der Botschaft wird uns dann bestätigt, dass heute geschlossen ist, wegen einem Feiertag. Also war Holi gar nicht gestern sondern heute. Wir machen, dass wir schnellstens wieder ins Tourist Camp kommen, bevor die Färberei beginnt.
6. März 1996
Kurz nach neun sind wir auf Botschaft von Pakistan, die uns prompt wieder wegschickt, denn ohne ‚letter of recommendation‘ läuft nichts. Also fahren zu den Schweizern und lassen uns dort dieses Empfehlungsschreiben gleich doppelt ausstellen, denn die iranische Botschaft verlangt es ebenfalls. Eigentlich sollte ein gültiger, vom Heimatland ausgestellter Reisepass vollauf genügen, aber gewisse Länder machen es einem nicht so leicht. Zurück auf der pakistanischen Botschaft können wir die Antragsformulare ausfüllen und zusammen mit den Pässen abgeben.
Nach soviel Arbeit haben wir uns ein Mittagessen im berühmten Nirula Restaurant verdient. Hier gibt es die in ganz Indien bei Travellern bekannten Lambburger. Ebenso bekannt ist das riesige Salatbuffet, wovon wir jedoch aus gesundheitlichen Bedenken die Finger lassen. In Indien halten wir uns streng nach der Devise ‚peel it, cook it or forget it!‘.
Später lassen wir noch Passfotos machen. Dazu hülle ich mich in das Kopftuch, denn für das iranische Visum macht es einen viel besseren Eindruck. So merken die Botschaftsangestellten, dass man bereit ist, ihre Vorschriften zu respektieren. Entsprechend schneller werden die Anträge bearbeitet.
Im El Arab Restaurant füllen wir unsere Mägen mit Köstlichkeiten aus Nahost.
7. März 1996
Heute bleibt der Floh im Tourist Camp stehen, und wir lassen uns mit einem Bajaj, einem Dreirad chauffieren. Um halb zwölf Uhr erhalten wir unsere Pässe zurück. Sofort fahren wir zur iranischen Botschaft, wo wir die Antragsformulare ausfüllen. Wie auf jeder Botschaft üblich, müssen wir die Visagebühr im Voraus begleichen. Nur haben wir nicht damit gerechnet, dass diese Rs. 1750 (Fr. 90) pro Person beträgt.
Soviel Geld haben wir nicht dabei, wir müssen zuerst zum Auto zurück und Geld wechseln. Der Angestellte gibt uns unsere Pässe zurück und sagt, er warte auf uns, obschon es mittlerweile kurz nach zwölf Uhr ist, und die Botschaft um halb eins schliesst. Weil morgen Freitag, ein islamischer Feiertag ist, wäre dann die Botschaft für ganze drei Tage geschlossen. Wir erklären unserem Bajaj-Fahrer unsere dringliche Lage, und er rast wie ein Wilder zum Tourist Camp zurück, wo wir ein paar Traveller Checks aus dem Auto nehmen und uns wieder ins Dreirad setzen. Der schmächtige Sikh fährt uns dann aufs Thomas Cook Büro, damit wir unsere Dollars in Rupees umtauschen können.
Total erschöpft stehen wir um zehn nach eins vor der iranischen Botschaft, wo wir zum Angestellten hineingelassen werden und unsere Pässe abgeben können. Er verspricht uns, dass wir die Visa am Montag abholen können.
Nach soviel Stress müssen wir uns unbedingt wieder ins Nirula setzen.
8. – 10. März 1996
Wir verbringen unsere Zeit mit lesen, faulenzen, mit anderen Reisenden zusammenzusitzen und am Sonntag ein wenig mit Sightseeing. Wir besichtigen das Red Fort. Es ist zwar sehr eindrücklich, aber leider total überschwemmt von Kommunisten, die gerade eine Kundgebung veranstalten und uns keine Möglichkeit lasssen, das Monument gebührend zu besichtigen.
Dafür ziehen wir uns am Abend schick an uns gehen ins Taj Mahal Hotel chinesisch essen. Die Rechnung ist so hoch (Fr. 25), dass wir mit der Kreditkarte bezahlen.
11. März 1996
Um zwölf Uhr dürfen wir auf der iranischen Botschaft unsere Pässe mit einem 5tägigen Transitvisum abholen. Wir schätzen uns aussergewöhnlich glücklich, innert kürzester Zeit das Visum erhalten zu haben. Die Engländer beispielsweise müssen im Moment mindestens 13 Arbeitstage auf den begehrten Stempel im Pass warten. Aber das auch nur, wenn das Visum überhaupt erteilt wird!
Wir verschieben die Abreise auf morgen früh. So können wir noch einmal ins El Arab essen gehen.
12. März 1996
Der ganze Berufsverkehr kommt uns entgegen, aber wir haben freie Fahrt und erreichen gegen Abend die Grenzstadt Amritsar. Im Mrs. Bhandari’s Guesthouse werden wir sprichwörtlich mit offenen Armen empfangen.
13. März 1996
Der Platz hier ist so schön und ruhig, dass wir den ganzen Tage draussen sitzen und die Nase in die Bücher stecken. Abends werden wir dann vom Guesthouse gut verpflegt.
14. März 1996
Wir lassen uns mit einer Velorikshaw ins Stadtzentrum fahren. Dort statten wir dem Goldenen Tempel einen Besuch ab. Bereits auf unserer letzten Indienreise hat uns dieses Heiligtum der Sikhs aussergewöhnlich beeindruckt. Auch diesmal lassen wir uns wieder von der Anlage bezaubern.
Nach unserem Besuch gehen wir noch auf die State Bank of India 50 Dollars wechseln. Das ist einfacher gesagt als getan, es dauert eine Ewigkeit. Sozusagen zum Abschluss nehmen wir noch ein grosses Stück bürokratische Erinnerung mit auf den Heimweg.
15. März 1996
So, heute sind wir nun bereit, Indien nach mehr als 4½ Monaten zu verlassen. Aber es soll nicht so sein, dass wir kein Geschenk aus Indien mitnehmen. Bei der Wegfahrt aus dem Guesthouse bewegt sich das schwere Eingangstor aus Stahl im Wind, Albi knallt den Floh voll rein. Die linke Front sieht böse aus – uns kommt beinahe das Heulen. Da fahren wir tausende von Kilometern auf indischen Strassen, und ausser ein paar Kratzern, die sich wegpolieren lassen, nichts! Und dann am letzten Tag so etwas Saudummes, wo man nicht einmal jemanden beschimpfen kann! Zum Glück ist ausser ein paar teuren Stücken Blech und etwas Stossstange nichts beschädigt, so dass unser Wohnmobil voll fahrtüchtig ist. Aber böse sieht es trotzdem aus.
Jetzt wollen wir aber schnellstens aus Indien raus, sonst passiert sonst noch was. Aber an der Grenze müssen wir zuerst auf den Immigration Officer warten, der mehr als eine halbe Stunde Verspätung hat. Dann kommt der Zoll an die Reihe. Dort warten wir eine Ewigkeit, bis sie sich überhaupt unserem Carnet de Passages annehmen. Dann verlangen sie, dass wir alles, aber auch wirklich alles aus dem Auto ausräumen, damit sie es auf Geheimfächer absuchen können!!!
Vor ein paar Wochen haben ein Schweizer Ehepaar mit zwei kleinen Kindern in Delhi Geheimfächer in ihren Bus bauen lassen. Sie sind dann nach Pakistan gefahren und haben dort Waffen eingekauft, die sie in Indien den kashmirischen Freiheitskämpfern weiterverkaufen wollten. Auf dem Tourist Camp in New Delhi wurden sie verpfiffen, und die Sache ist aufgeflogen. Die Zöllner zeigen uns entsprechende Zeitungsausschnitte. Und nun müssen sie sich natürlich vergewissern, dass sich in unserem Wohnmobil ja keine Geheimfächer befinden, wo wir womöglich Waffen verstecken könnten. Wir versuchen, ihnen klar zu machen, dass wir erstens ohne neues Visum gar nicht wieder nach Indien einreisen könnten und wir zweitens, auch mit Geheimfächer aus Indien ausreisen dürften, schliesslich täten wir nichts Verbotenes. Viel wichtiger sei es doch, die Einreisenden zu kontrollieren. Die Zollbeamten gehen zwar eigentlich mit uns einig, aber es sei besser sicher zu gehen, vorallem weil wir ja auch Schweizer seien. Wir versichern ihnen noch einmal, dass wir keine Geheimfächer haben, und dass es uns nicht möglich ist, das ganze Auto auszuräumen, schliesslich ist in einem Wohnmobil alles in Schränken versorgt.
Also wollen alle ins Auto steigen und sich davon überzeugen, dass wir sie nicht anlügen. Albi zeigt den Männern das Äussere und ich den Frauen das Innere unseres Flohs. Nach ausgiebiger Suche und nochmaligem Warten dürfen wir Indien nach 3 ½ Stunden endlich verlassen.
Als wollten sie dem Besucher zeigen, wie viel besser Pakistan gegenüber Indien ist, dauern die Einreiseformalitäten gerade mal eine halbe Stunde. Darüber hinaus werden wir äusserst freundlich und effizient bedient, nach dem Motto: Der Kunde ist König. Leider werden wir auch auf der Rückfahrt die direkte Route in den Iran nehmen und uns nicht näher im Land umsehen. Auf unserer letzten Südasienreise hatten wir Pakistan, vorallem dessen nördlichen Teil ausgiebig bereist. Ausserdem sind jetzt Mitte März die Klimabedingungen für eine Reise in die interessanten Gebiete sehr ungünstig.
Dieser Tag hat genug von uns gefordert. Wir fahren nur noch in den Jallo Park, den wir, weil heute Freitag ist, mit halb Lahore teilen. Gegen Abend wird es aber ruhig, und wir verbringen eine angenehme Nacht.