Kashmir

Ab in die Kühle! Die nächste Stadt auf dem Weg in die Berge ist Chandigarh. Diese Stadt wurde von Le Corbusier entworfen und ist in riesigen Quadraten angelegt. Die Regierungsgebäude sehen auch heute noch, nach mehr als 30 Jahren, futuristisch aus. Aus dem Rest ist eine indische Stadt wie jede andere geworden.
Über Simla, Mandi und Kulu fahren wir nach Naggar, wo wir in luftiger Höhe bei einem alten Schloss halten. Es ist angenehm kühl hier, und die Augen werden vom satten Grün des Kulu‑Valleys verwöhnt. Bisher war alles braun, grau und staubig, aber hier hat die Landschaft wieder Farbe, und die Luft ist klar.
In Manali ist es so kühl, dass wir endlich wieder ohne zu schwitzen im Dachzelt übernachten können. Am Morgen sind wir jeweils froh um den heissen Porridge. Wir wohnen etwas ausserhalb der Ortschaft in luftiger Höhe. Das gediegene Hotel erlaubt uns, im Park zu übernachten und die Infrastruktur zu benützen. Stundenlang sitzen wir an der wärmenden Nachmittagsonne bei einem Glas Chai.

Wir erkundigen uns, ob der Rohtang Pass nach Ladakh offen ist. Leider nicht, erst in 10‑15 Tagen könne man ihn frühestens befahren. Das ist uns zu spät, denn in neun Tagen, am 21. Juni, findet in Hemis ein Klosterfest statt. Es ist das einzige solche Festival, das im Sommer abgehalten wird, und natürlich möchten wir dabei sein.
Wir machen uns auf die Suche nach den Franzosen, um mit ihnen zu besprechen, was wir machen sollen. Wir finden sie dort, wo etwas los ist: In einem Wald findet eine Zeremonie statt. Wir wissen nicht, worum es geht, aber es hat unglaublich viele Leute, in riesigen Töpfen wird Essen zubereitet, und der Höhepunkt bildet der Wasserbüffel, der geopfert wird. Mit 34 Machetenhieben wird ihm der Kopf abgetrennt. Dabei spritzt das Blut ganz schön weit. Wir setzen uns abseits auf ein paar Felsen und können so unentdeckt fotografieren. Mit dem Teleobjektiv können wir die Menschen unbemerkt ganz nah ins Bild holen.

Den Franzosen geht es ebenso wie uns: Eigentlich würden wir sehr gerne über den berüchtigten Rohtang Pass fahren, aber der Besuch des Klosterfestivals von Hemis ist uns wichtiger. Also bleibt uns nichts anderes übrig, als über Kashmir zu fahren. Die Inder erklären uns für lebensmüde, dorthin zu gehen, befinden sich doch die moslemischen Kashmiris in einem Kampf für die Unabhängigkeit. Weil aber die ausländischen Touristen die einzige Einnahmequelle der Bevölkerung ist, sind die Besucher nach wie vor äusserst willkommen. Offenbar hat es in Srinagar immer noch viele Touristen. Wir beschliessen, Ladakh auf diesem Weg zu erreichen.

Wir fahren zusammen mit Jean‑Louis und Danièle und ihren Kindern im Alter von sechs bis fünfzehn Jahren. Nach drei Tagen haben wir das grosse Kashmir Tal erreicht. Die Landschaft ist wunderschön und sehr fruchtbar. Leider sind wir auch hier zu früh dran. Der Zoji‑La Pass ist noch nicht geöffnet, so dass wir noch zwei Tage in Srinagar warten müssen.
Wir lassen unsere Fahrzeuge beim Polizeiposten stehen und mieten ein Hausboot. Hotelzimmer hat es hier nicht viele, denn die Hauptattraktion sind die schön geschnitzten Boote. Ihren Ursprung haben sie aus der Zeit der Engländer. Ihnen wurde hier an diesem schönen See verboten, Land zu erwerben und Häuser darauf zu bauen, so dass sie in grossen Hausbooten auf dem See lebten. Wir lassen uns von freundlichen Leuten verwöhnen. Das Essen ist ausgezeichnet, und alles was man sonst noch benötigt, erhält man vom Supermarkt‑Boot, das immer wieder vorbeifährt. Es wird uns nicht langweilig, schliesslich haben wir alle genug Gesprächsstoff, um interessante Diskussionen zu führen.

Die Bilder zur Reise 1990-1991 findest du hier: Flickr

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