Unterwegs mit den Jerseys

14. Oktober 1995

Am Morgen sind wir natürlich viel zu früh bereit, die Formalitäten zu erledigen. Die Immigration öffnet um 8 Uhr, aber fürs Carnet de Passages müssen wir bis 9 Uhr warten. Dabei lernen wir Helen und Marc kennen. Sie haben die letzten Jahre in Jersey, England, gelebt und wollen jetzt Überland nach Neuseeland zurückkehren. Gemeinsam erledigen wir den pakistanischen Zoll und fahren dann gleich aus dem staubigen Dorf Taftan heraus, ab jetzt natürlich auf der linken Strassenseite.
Wir essen etwas und beschliessen, gemeinsam nach Quetta zu fahren. Besonders Marc macht sich Sorgen, diese Strecke alleine zu befahren, weil Encounter Overland (ein englischer Reiseorganisator) hier nur mit bewaffneter Polizeibegleitung fährt. Wir lernen Encounter Overland noch gut kennen. Ein Freund von Marc arbeitet dort und hat ihm die Routenbeschreibung mitgegeben, so dass Marc alles genau nach den „Richtlinien“ machen kann. Uns ist es recht, auf dieser einsamen Strecke Gesellschaft zu haben.
Der ehemals letzte nicht geteerte Abschnitt auf der ganzen Indienroute, Taftan-Nokkundi, ist jetzt dank den Iranern, die in Pakistan nach Gold graben, eine halbe Autobahn. Auch die bestehende Strasse wird mit Weltbankgeld ausgebaut. Dadurch müssen wir dauernd daneben auf einer schlechten Piste fahren.
Als es eindunkelt, schlagen wir vor, bei einem Strassenbaudepot zu übernachten. Marc will davon gar nichts wissen. Viel zu gefährlich sei das, er wolle lieber im Dunkeln weiterfahren. Da es nicht mehr weit zum nächsten Ort ist, versuchen wir nicht, ihn umzustimmen. In Yakmach hat es ein Resthouse, wo zwar keine Toiletten vorhanden sind, dafür können wir hinter schützenden Mauern stehen.

15. Oktober 1995

Nach den ersten paar Kilometern kommen uns drei Deutsche mit einem Allrad LKW entgegen, die uns sagen, dass wir die Strecke bis Quetta heute eigentlich schaffen sollten. Sehr schnell kommen wir jedoch nicht vorwärts. Marc und Helen haben an ihrem VW Bus eine Plastikbox auf der Anhängekupplung. Bei jedem Bodenwellchen schlägt diese sogenannte Top Box am Boden auf und sprüht Funken. Wir benennen sie in Bottom Box um und fragen die Jerseys, ob wir helfen können, die Box irgendwie hochzubinden. Davon will Marc nichts wissen, denn der kompetente VW Dealer von Jersey habe die Box so montiert, da dürfen wir nichts daran ändern.
In einem kleinen Dorf fährt Marc einen Nagel ein. Als ihn die Leute auf den Plattfuss aufmerksam machen, hält er an und nimmt das Betriebshandbuch hervor. Ein hilfsbereiter Pakistani fängt an, die Radmuttern zu lösen. Darauf brechen die Jerseys in Panik aus und fragen uns, ob wir bitte Prinz rauslassen können, damit die Leute zur Seite gehen. Die vielen Zuschauer sind aber alle sehr nett und freundlich, also lassen wir unseren Hund im Wohnmobil. Den Reifen wollen die Jerseys hier nicht flicken lassen, sie wollen das beim VW Händler in New Delhi machen lassen. Sie hätten ja noch ein zweites Ersatzrad…
Bereits bei Dunkelheit fahren wir durch Quetta zum Hotel Lourdes, dem Treffpunkt für Overlander. Fürs Fahrzeug 350 Rupees plus Rp 80 pro Person, um im Hinterhof zu campieren, ist uns einfach zuviel. Da übernachten wir lieber im Innenhof des Hotel Bloom Star im Stadtzentrum.

16. Oktober 1995

Auf dem Tourist Office erkundigen wir uns, welche Route wir nehmen sollen, weil es nach Encounter Overland Guidelines zu gefährlich ist, die nördliche Strecke über Lorolai zu fahren. Albi und ich möchten lieber darauf verzichten, die südliche Route durch den Sindh zu fahren. Der Information Officer beruhigt uns: Die nördliche Strecke sei kein Problem, einfach nicht nachts fahren. Albi und ich beschliessen, noch heute nach Ziarat zu fahren, so dass wir Prinz auch mal wieder ausgiebig rauslassen können. Marc und Helen wollen sich uns auf dieser „gefährlichen“ Strecke anschliessen, was uns auch recht ist.
Zuerst müssen wir aber noch Geld wechseln und eine Haftpflichtversicherung abschliessen. Das Versicherungsbüro besteht aus einem kleinen Zimmerchen, in dem ein älterer Herr im Anzug sitzt (die meisten Männer tragen den Shalwar, den Nationaldress in Form eines weiten Pyjamas). Für 400 Rupees erhalten wir eine Haftpflichtversicherung für zwei Monate.
Über eine schlechte Strasse erreichen wir gegen Abend Ziarat, wo wir uns beim sehr schönen Government Resthouse einquartieren. Auf 19.30 Uhr bestellen wir Abendessen. Helen füllt versehentlich Diesel in ihren Wassertank. Daraufhin spülen sie mindestens 10 Mal den Tank durch, während wir und der Koch ungeduldig auf ihr Erscheinen warten. Da wir morgen eh hier bleiben werden, verstehen wir nicht so recht, weshalb sie die Umfüllerei überhaupt noch heute bei Dunkelheit durchführen mussten.
Dafür ist das Essen himmlisch!

17. Oktober 1995

Nach dem Wäsche waschen gehen wir spazieren und setzen uns dann zum Lesen an die wärmende Sonne. Während wir uns ausruhen, fegt Helen den ganzen Bus von innen raus, und Marc poliert aussen den Lack. Wie wenn die nächsten 200 km weniger staubiger wären als die letzten! Sogar die Bottom Box wird ausgeräumt und sorgfältig geputzt. Wir fühlen uns wie im Kino.
Die Jerseys backen sich im Faltbackofen einen Breadpudding, während wir im Restaurant ein weiteres ausgezeichnetes Curry verzehren.

18. Oktober 1995

Die nächsten Kilometer sind das äusserste, was unser Floh meistern kann. Wir durchqueren Flussbetten und Sandstellen und freuen uns über soviel Geländetauglichkeit. Schliesslich ist es doch ein Wohnmobil, wo der Kühler das Erste ist, der bei einem Aufsetzer angekratzt wird. Der VW Bus der Engländer kommt wegen der schmaleren Spur etwas besser durch, nur die Bottom Box ist jetzt mehr am Boden als in der Luft.
In Klingri können wir bei einer Art Resthouse stehen.

19. Oktober 1995

Noch eine letzte Bergkette hoch, dann beginnt der Abstieg ins Indus-Tal, wo die pakistanischen Lastwagenfahrer ein „Inshallah“ für ihre Bremsen sagen. Wir sind froh, in die tropische Feuchtigkeit zu kommen, in der Wüste wären wir beinahe ausgetrocknet. Nur macht der Keilriemen des VW Busses jetzt immer mehr Lärm, worauf Albi seine Hilfe anbietet, um ihn nachzuziehen. Auf gar keinen Fall dürfe er da etwas machen, der VW Händler von Amman habe den neuen Keilriemen eingebaut, da könne Albi nichts daran verändern. In New Delhi habe es wieder einen VW Händler, der ihn dann nachziehen könne.
Seit langer Zeit stellen wir uns mal wieder abseits der Strasse ins Gebüsch.

20. Oktober 1995

Wenigstens hat Albi Marc überzeugen können, die Aufhängung der Bottom Box schweissen zu lassen. Im nächsten Dorf wird das erledigt. Dabei wird die Box auch noch mit einem Seil hochgespannt, damit nicht die ganze Kraft auf der dünnen Stange liegt.
Bei einem geschlossenen Resthouse dürfen wir nach langer Diskussion die Nacht über stehen bleiben.

21. Oktober 1995

Auf guten Strassen erreichen wir Islamabad. Wir sind froh, ab hier nur noch auf uns schauen zu müssen. Auch wenn Marc und Helen nett waren, war die Zeit mit ihnen doch nicht immer ganz einfach.
In Islamabad, der Hauptstadt Pakistans, steht alles, was auf Rädern nach Indien reist im einzigen Campground des Landes. Wir lassen uns auch dort nieder und gehen zur Feier des Tages ins Great Wall chinesisch essen.

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